Einzelnachricht

Zwischen Forschung, Interdisziplinarität und Praxis: Besuch bei Sebastian Thrun im Silicon Valley

Thursday, 27. July 2023 um 11:00 Uhr

Die Preisträger*innen des Sebastian-Thrun-Preises für besonders herausragende Leistungen im Studium und in der Forschung auf dem Gebiet der Informatik der Jahre 2020, 2021 und 2022 sind Christian Ackermann, Daniela Thyssens und David Walter. Zu dritt waren sie in den USA bei Sebastian Thrun, einem der einflussreichsten Denker in der Welt der Künstlichen Intelligenz. Thrun hat in den 1980er Jahren an der Universität Hildesheim Informatik studiert.

„Man kann nicht gerade sagen, dass es einen Forschungsmangel in meinem Gebiet gibt und dahingehend meine Forschung unabdingbar ist. Allerdings wird ein großer Anteil dieser Forschung von großen Technologie-Unternehmen finanziert und ist daher eventuell nicht komplett unabhängig. Öffentliche Einrichtungen und Universitäten, und im Speziellen das Information Systems and Machine Learning Lab an der Universität Hildesheim, bieten daher den großen Vorteil, Forschung im Bereich Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz unvoreingenommen zu betreiben und vermutlich daher auch objektivere Forschungsergebnisse zu Tage zu fördern“, beschreibt Daniela Thyssens den Vorteil, an Universitäten zu forschen.

Gerade deshalb nehmen Daniela Thyssens, Christian Ackermann und David Walter die Begegnung mit Sebastian Thrun als Chance wahr. Forschend an der Universität Hildesheim tätig, ermöglichte die Begegnung mit Thrun allen dreien, die unbegrenzten Anwendungsmöglichkeiten der Forschung auf die freie Wirtschaft zu erkennen. Die drei Preisträger*innen des Sebastian-Thrun-Preises waren dieses Jahr vom 26. Mai bis 6. Juni ins Silicon Valley gereist, um Informatikpionier Sebastian Thrun zu besuchen.

Learning to Optimize

Allen dreien ist gemein, dass sie in Hildesheim bereits ihren Masterabschluss erworben hatten: Preisträgerin des Jahres 2021 Daniela Thyssens absolvierte ihren Bachelor an der City University of London im Fach Economics. Ursprünglich hatte sie in London in der Finanzwelt arbeiten wollen. Letztendlich doch an Forschungsarbeit im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich interessiert, baute sie ihre methodologischen Fähigkeiten für die Forschungsarbeit an der Goethe Universität in Frankfurt mithilfe eines Masters in Quantitative Economics aus. Als einen der wenigen englischsprachigen Studiengänge in Deutschland fand sie anschließend den Masterstudiengang Data Analytics an der Universität Hildesheim. Sie ist aktuell als Doktorandin in Prof. Dr. Schmidt-Thiemes Forschungsgruppe im Bereich Maschinelles Lernen tätig und befasst sich im Bereich Learning to Optimize mit der Automatisierung von Optimierungsprozessen.

„Da ich, bevor ich nach Hildesheim kam, in Frankfurt bereits einen Master in Quantitative Economics absolviert hatte und ich schon immer in die Forschung wollte, war mir bewusst, dass es darum geht, Algorithmen und Methoden im Detail nachzuvollziehen, um sie im besten Falle weiterzuentwickeln. Was mir das Studium darüber hinaus gezeigt hat, ist, dass die Forschung im Bereich Maschinelles Lernen sehr schnelllebig ist und es darauf ankommt, Methoden und Modelle schnell anwenden zu können und zu implementieren, um die Modelle zu analysieren und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.“

Christian Ackermann und David Walter, Preisträger der Jahre 2020 und 2022, hatten bereits ihren Bachelor in Hildesheim absolviert: Während David Walter sowohl im Bachelor als auch im Master Wirtschaftsinformatik studierte, begann Christian Ackermann seinen akademischen Werdegang mit einem Bachelor in Informationsmanagement und -technologie, jedoch von Anfang an mit einer Vertiefung in Angewandter Informatik, mit der er sich im Anschluss auch im Master auseinandersetzte. Seit Oktober 2019 promoviert er in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Julia Rieck im Bereich Operations Research und beschäftigt sich mit der Optimierung zentralisierter Mobility-on-Demand Services: „Ich hatte schon immer ein Faible für Algorithmen-Entwurf. Sowohl in meinem Bachelor als auch in meinem Master habe ich mich daher hauptsächlich auf den Bereich Software-Engineering konzentriert. Allerdings habe ich auch zusätzlich mit großer Begeisterung quantitative Wirtschaftskurse gehört, insbesondere im Bereich der Logistik. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass Operations Research genau das Richtige für mich ist; der Entwurf von Algorithmen zur Optimierung praktischer, logistischer Prozesse.“

David Walter forscht zu digitalen Pflegeapps für Menschen, die (privat) Angehörige pflegen und stellt sich dabei etwa die Frage, wie solche Apps designt werden sollten. Basierend auf der alternden Bevölkerung und dem Fachkräftemangel gewänne private häusliche Pflege in Zukunft noch viel mehr an Relevanz als jetzt schon. Unter anderem in diesem Kontext möchte er neues Wissen erschließen: „Ich möchte mit meiner Arbeit, das heißt: meiner Forschung, ganz simpel gesagt einfach neues Wissen schaffen, das die Forschungscommunity, aber auch Menschen aus der Praxis, nutzen können. Die Wirtschaftsinformatik forscht stark in Richtung Nachhaltigkeit – seien es digitale Geschäftsmodelle, Smart City im Kontext Nachhaltigkeit, wie AI nachhaltig eingesetzt werden kann usw.“

Sebastian Thrun als Vordenker

Gerade diesen bereits in der Forschung angelegten Praxisbezug finden alle drei Preisträger*innen auch an Sebastian Thrun so inspirierend, war dieser doch maßgeblich an der Entwicklung von Waymo, der Tochterfirma von Google/Alphabet für autonomes Fahren, beteiligt. Sie erlebten im Silicon Valley einen Spirit, der technologischen Fortschritt, so Christian Ackermann, erst vollumfänglich ermöglicht: „Es ist wohl weniger seine konkrete Arbeit als vielmehr seine Einstellung. Er verkörpert das klassische Silicon Valley-Denken: unsere Gesellschaft durch Innovation voranbringen. Dies kombiniert er mit dem generellen Motto Move fast and break things.“ Dabei stellt Sebastian Thrun für Daniela Thyssens „in all‘ seinen aktiven Bereichen, Forschung und Gründung ein absolutes Vorbild dar.“

Anhand der drei doch so unterschiedlichen Werdegänge wird auch deutlich, dass es immer mehr um die Fähigkeit geht, bestehende Forschungsthematiken zu abstrahieren und neu zu denken; die Ergebnisse sind zunehmend interdisziplinärer Natur und lassen sich keiner einzelnen Disziplin mehr absolut zuordnen. – Auch in dieser Hinsicht ist Sebastian Thrun ein Vordenker.

Sebastian Thrun

Sebastian Thrun hat an der Universität Hildesheim von 1986 bis 1988 als einer der ersten Studierenden Informatik studiert, in Bonn promoviert und wechselte dann in die Vereinigten Staaten. Er war Assistenzprofessor für Informatik an der Carnegie Mellon University und leitete als Research Professor an der Stanford University den Bereich Künstliche Intelligenz.

Thrun erforscht lernfähige Robotiksysteme, die sich selbstständig bewegen können. Er leitete verschiedene Projekte im geheimen Forschungslabor: Google X, darunter Google Glass. Er schuf die technischen Grundlagen für Google StreetView. Parallel dazu gründete Thrun die Internet-Universität Udacity und hat seitdem sein Ziel auf die Demokratisierung von weiterführender Bildung ausgerichtet. Die Kurse über Künstliche Intelligenz, Robotik und Maschinelles Lernen erreichen derzeit 16,9 Millionen Menschen.

IT-Studium an der Universität Hildesheim

Insgesamt studieren an der Universität Hildesheim derzeit über 885 IT-Studentinnen und IT-Studenten (Stand Wintersemester 2022/2023). Die Universität bildet im Bachelorstudium und im Masterstudium Informatikerinnen und Informatiker unter anderem in den Studienprogrammen Wirtschaftsinformatik, Angewandte Informatik und Informationsmanagement und Informationstechnologie sowie im Lehramt Informatik aus.

Eine überwältigende Nachfrage verzeichnet seit 2016 Data Analytics. Für dieses erste vollständig englischsprachige Studienprogramm der Universität Hildesheim haben sich zum Wintersemester 2023/2024 nach aktuellem Stand 2618 Studieninteressierte aus der ganzen Welt beworben. Hildesheim hat dabei das bundesweit größte Programm für Data Analytics mit derzeit 186 Studentinnen und Studenten aus mehr als 25 Ländern.


Christian Ackermann. Foto: Jung Fotografie

Daniela Thyssens. Foto: privat

David Walter. Foto: privat

Links: Christian Ackermann. Foto: Jung Fotografie. Mitte: Daniela Thyssens. Foto: privat. Rechts: David Walter. Foto: privat.