Postkoloniale Perspektiven - Koloniale Kontinuitäten

Tradierte Wissensbestände sowie Formen der Wissensproduktion werden derzeit im Zuge gesellschaftlicher Transformationsprozesse zunehmend (macht)kritisch unter die Lupe genommen. Die Vortrags- und Gesprächsreihe "Postkoloniale Perspektiven - Koloniale Kontinuitäten" präsentiert neuere Forschung aus den Kultur-, Sozial- und Erziehungswissenschaften, die hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. In ihrer bewusst interdisziplinären Ausrichtung versteht sich die Reihe auch als Suchbewegung, in der Schnittstellen entdeckt und systematisch in Austausch gebracht werden können. Leitend sind die Fragen, wie postkoloniale Perspektiven unseren Umgang mit (historischem) Wissen verändern und wie koloniale Kontinuitäten diskursiv aufgebrochen werden können.

Die Veranstaltungsreihe findet online und zum Teil in Präsenz statt.

In Kooperation mit: Herder Kolleg, UNESCO-Lehrstuhl für Kulturpolitik, Institut für Sozial- und Organisationspädagogik, Alice Salomon Archiv / ASH Berlin

Link: https://bit.ly/zbi_postkolonial          Code: 188485

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PROGRAMM
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Donnerstag, 27.04.23 16 – 18 Uhr c.t.

Hauptcampus, FORUM/Atrium + ONLINE

We're here because you were there. Immigration and the End of Empire

Dr Ian Sanjay Patel I Birkbeck, University of London

Moderation: Prof. Dr. Viola B. Georgi, Sina Isabel Freund I Institut für Erziehungswissenschaft

This talk explores post-war migration to Europe, with a focus on the experiences of migrants to the British Isles after 1945. The British empire was dismantled in the first decades of the post-war era. Simultaneously, during the same period, British nationality retained its imperial scheme. This meant that migrants from former British colonies in the post-war era were legally entitled to enter, live and work in the British Isles. In the 1960s and early 1970s, however, British governments passed immigration laws targeting their own non-white citizens on the basis of race. This talk explores this extraordinary contradiction, as well as its motivations, its various effects, and the severe consequences for migrants themselves. 

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Mittwoch, 10.05.23 16 – 17 Uhr s.t.

ONLINE
„Das europaähnliche Afrika langweilt uns.“ –  Zur Geschichte des Kolonialrassismus in der deutschen Pädagogik und Erziehungswissenschaft

Dr. Z. Ece Kaya I Institut für Erziehungswissenschaft

Moderation: Dr. Nadin Tettschlag I Zentrum für Bildungsintegration

Eine deutsche Kolonialpädagogik wurde erst in der NS-Zeit formuliert, in der es keine deutschen Kolonien mehr gab: Kolonisieren hieße nun nicht mehr Missionieren, sondern Erziehen. Die NS-Kolonialpädagogen waren von der erneuten Kolonisation in Afrika unter NS-Herrschaft überzeugt und diskutierten in der gleichen Zeit mit den NS-Verbrechen in Europa über die sog. ‚Volkstumserhaltung‘ und ‚zerstörerischen kulturellen Einflüssen‘ der europäischen Bildung in Afrika und entworfen Lehrpläne. Das koloniale Selbstverständnis und die koloniale Gewalt wurden dabei weiterhin propagiert. Der Vortrag gibt einen Überblick zu dieser Geschichte des Kolonialrassismus in der deutschen Pädagogik und Erziehungswissenschaft mit einem Ausblick zu den Kontinuitäten in der migrationsgesellschaftlichen Gegenwart.

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Mittwoch, 24.05.23 16 – 17 Uhr s.t.
"Heimatsart und deutsche Sitte" - Zur Vergangenheit und Gegenwart von Sozialer Arbeit als kolonialer Kulturarbeit.

Dr. Dayana Lau I Alice-Salomon-Archiv I Alice Salomon Hochschule Berlin

Moderation: Dr. Z. Ece Kaya I Institut für Erziehungswissenschaft

Im Vortrag werden historische Verflechtungen der Sozialen Arbeit mit dem deutschen Kolonialismus im Kontext der Frauenbewegungen untersucht. Diese Verflechtungen prägten die frühe Phase der Professionsentwicklung zutiefst und trugen dazu bei, dass Soziale Arbeit sich als ein weißer Raum konstituierte, in dem rassistisches und eurozentrisches Wissen handlungsleitend wurde. Anhand archivarischer und anderer historischer Quellen aus der Sozialarbeitsgeschichte werden diese historischen Verflechtungen analysiert. In einem zweiten Schritt werden die Ergebnisse auf ihre Relevanz für die Gegenwart Sozialer Arbeit befragt und methodologische Zugänge zur Erforschung kolonialer Kontinuitäten innerhalb der Profession diskutiert.

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Mittwoch, 07.06.23 16:30 – 18 Uhr s.t.

Hauptcampus, FORUM/Atrium

Everything but the Börden – (Post-)koloniale Verflechtungsgeschichten in populärer Musik

Prof. Dr. Johannes Salim Ismaiel-Wendt I Institut für Musik und Musikwissenschaft

Im Gespräch mit JProf. Dr. Fiona McGovern I Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft

Moderation: Dr. Nadin Tettschlag

Rübenzuckerproduktion in der Hildesheimer Börde und ein kleines Reggae-Festival eben dort; Die Grand opéra L’Africaine und Richard Wagners antisemitische Hetzschrift „Das Judenthum in der Musik“; Blackfacing Minstrel Shows in Deutschland und Bobby Farrell von Boney M. in  Hannover; Cannabis-Konsum in Hinduismus und Rastafarianismus; Internationales Versicherungswesen und Emanzipationsprozesse in der Ukraine; Global Agriculture Player und Saatgut aus der niedersächsischen Provinz. 

Johannes S. Ismaiel-Wendt liest aus seinem neuen Lang-Essay Everything but the Börden (deutsch) und unterhält sich mit Fiona McGovern über Postcolonial Studies von Hildesheim aus und undiszipliniertes, verflechtendes Schreiben.

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Mittwoch, 21.06.23 16 – 17 Uhr s.t.

ONLINE
"Decolonizing the Mind"
Ist eine "Dekolonisierung" der Philosophie möglich?

Prof. Dr. Rolf Elberfeld I Institut für Philosophie

Moderation: Prof. Dr. Viola B. Georgi

Mit dem Stichwort "decolonizing the mind" wurde der politische Prozess der Dekolonisierung auf intellektuell-akademische Diskurse übertragen. Denn es hatte sich gezeigt, dass nicht nur die politischen Machtstrukturen in Europa tief in den Kolonialismus verstrickt waren, sondern auch die akademische Produktion von Wissen. Innerhalb der Philosophie wurde diese Kritik in Deutschland lange nicht beachtet. In neuer Zeit steht vor allem das Thema Rassismus in den klassischen Texten der europäischen Philosophie im Zentrum. Im Vortrag möchte ich im Rahmen der neueren Debatten der Frage nachgehen, was unter einer "Dekolonialisierung" der Philosophie zu verstehen wäre und ob und wie dies im Fach Philosophie möglich ist.  

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Mittwoch, 28.06.23 16 – 17 Uhr s.t.

ONLINE

Kolonialismus und Rassismus im Geschichtsunterricht:

Zur Resonanz postkolonialer Theorien in der Schule

Prof. Dr. Viola Georgi I Sina Isabel Freund, M.A. I Institut für Erziehungswissenschaft

Moderation: Dr. Z. Ece Kaya I Institut für Erziehungswissenschaft

Postkoloniale Strukturen prägen unsere Gesellschaft und damit auch die Schule. Kolonialgeschichte im Geschichtsunterricht bietet besondere Möglichkeiten der Analyse von Positionen und Machtverhältnissen. Der Vortrag zeigt wie hierbei einerseits Otheringprozesse stattfinden und rassistische Bezeichnungspraxen perpetuiert werden, andererseits aber auch an der Dekonstruktion eurozentrischer Narrative gearbeitet wird. Wie Kritik und Affirmation postkolonialer Verhältnisse und Praxen miteinander verwoben sind, wird anhand von Interviews mit Geschichtslehrenden und einem Einblick in den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs betrachtet. 
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Mittwoch, 05.07.23 16 – 17 Uhr s.t.

ONLINE

Das postkoloniale Vermögen der Kulturpolitik:

Mitgestaltung, Aushandlung und die Förderung des glokalen (global-lokalen) Ichs

Prof. Dr. Julius Heinicke I UNESCO-Lehrstuhl Kulturpolitik für die Künste in Entwicklungsprozessen I Institut für Kulturpolitik

Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Schröer

Der Vortrag geht dem Vermögen der Kulturpolitik nach, mittels Prozessen von ‚Aushandlung‘, ‚Mitgestaltung‘ und ‚Entähnlichung‘ postkoloniale Wege einzuschlagen und Diskursräume zu eröffnen. Kulturpolitik wird nicht nur als Gesellschaftspolitik verstanden, sondern vielmehr als Weltaufgabe begriffen, da ihr Wirkungsrefugium vermehrt in Bereiche global-lokaler Transformationsprozesse hineinragt. Welche Räume kann Kulturpolitik gestalten, Kompetenzen und Handlungsweisen des globalen Ichs zu fördern?