Unser Motto: Kultur der Ermöglichung

Thursday, 10. January 2019 um 12:40 Uhr

Der Schlüsselbegriff für das Jahr 2019 ist eine „Kultur der Ermöglichung“, so der Präsident in seiner Neujahrsrede. Lesen Sie hier die Rede von Professor Wolfgang-Uwe Friedrich. „Wir arbeiten zusammen und durch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, tragen wir zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei“, sagt der Präsident.

Lesen Sie hier die Rede des Präsidenten Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich, gehalten während des Neujahrsempfangs der Universität Hildesheim am 9. Januar 2019. Es gilt das gesprochene Wort.

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Liebe Mitglieder der Universität Hildesheim, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende,

ich möchte diese Neujahrsansprache nutzen, um einige wesentliche Dinge der Hochschulentwicklung aber auch der Entwicklung in unserem Land zu thematisieren.

Wir haben in diesem Jahr einen Grund zu feiern – 70 Jahre Grundgesetz. Es ist bemerkenswert, dass eine Verfassung eine solche Lebensdauer hat. Unsere Verfassung ist eine sehr stabile. Und in unserer Verfassung heißt es, dass die Bundesrepublik Deutschland als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen will. Das ist unser Verfassungsauftrag. Es wird nicht gesagt, wie das vereinte Europa aussieht. Professor Michael Gehlers „Europagespräche“ tragen dazu bei, diesen Sachverhalt kritisch zu diskutieren. Der muss auch kritisch diskutiert werden, die Zielsetzung der Europäischen Kommission zum Beispiel ist Wissenschaftsförderung im Bereich Technologie und Wirtschaft, weniger aber im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften.

Aber das Ziel, den Frieden zu erhalten, der Völkerverständigung zu dienen und die Zusammenarbeit zu stärken ist ein hohes Gut unserer Gesellschaft. Es gibt eine Alternative für Europa. Die Alternative für Europa lautet Zerstörung der EU. Wie entwickelt sich die Politik weiter? Wir müssen den Ernst der Lage begreifen, dass Kräfte an Zustimmung gewinnen, Populisten von rechts, deren Ziel tatsächlich die Zerstörung der Europäischen Union ist. Nicht mehr und nicht weniger. Auf den Trümmern dieser Europäischen Union wollen sie etwas Neues schaffen. Ich sehe durchaus die Universitäten in der Pflicht, ihre Stimme zu erheben und dieses Problem zu adressieren. Es fängt an mit einer Diskussion über Fake News. Das nächste ist: Die Wissenschaft bringt keine Erkenntnis – Stichwort Klimawandel. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse über den Klimawandel, aber sie werden von Populisten geleugnet. Wir stehen also als Universität im 70. Jahrestag unserer freiheitlich-demokratischen Verfassung vor einer politischen und gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die wir annehmen müssen. Denn wir haben auch den 100. Jahrestag der Weimarer Reichsverfassung und die damalige Weimarer Republik ging durch Populisten zugrunde. Diese haben die Republik zerstört und Krieg und Trümmer zu verantworten. Daraus gilt es, Lehren zu ziehen.

Wir feiern auch 30 Jahre Deutsche Einheit und dieses Thema begleitet uns weiter. Ein Thema mit großen politischen Herausforderungen. Aber wenn wir uns die Verwerfungen in anderen Gesellschaften anschauen, ich denke an Bulgarien, wo ich noch studiert habe, oder Rumänien, von Russland, der ehemaligen Sowjetunion, ganz zu schweigen, dann können wir mit der Entwicklung in Deutschland, glaube ich, zufrieden sein.

„Zusammenhalt durch Zusammenarbeit“ ist das richtige Motto und gilt für uns alle

Ministerpräsident Stephan Weil hat am vergangenen Sonntag in Loccum bei einem Empfang der Evangelischen Landeskirche gesagt, dass die Bundesrepublik Deutschland nie ein so hohes Maß an Beschäftigung und nie ein so hohes Maß an Wohlstand hatte, und trotzdem fällt es schwer, Zusammenarbeit und Zusammenhalt zu organisieren. Wir alle kennen die Probleme, ob das in der Pflege ist oder im Gesundheitssystem oder in der Infrastruktur. Natürlich gibt es in unserem Land Probleme, aber sie sind alle lösbar. Ich führe Besucher gerne in das Rathaus der Landeshauptstadt Hannover, wo in vier Modellen die Geschichte der Stadt gezeigt wird. Mich hatte kurz vor Weihnachten die russische Delegation aus unserer Partnerhochschule, der Staatlichen Universität Nowgorod, besucht, und sie waren schockiert, als sie das Bild von Hannover 1945 sahen. Und ich sagte ihnen: Das ist die Konsequenz von Faschismus und Nationalsozialismus. Aber schauen Sie auf die Stadt Hannover heute, wir können Herausforderungen meistern.

Man kann die Zukunft bauen, wenn man den entsprechenden Willen hat. Deshalb meine ich, „Zusammenhalt durch Zusammenarbeit“ ist das richtige Motto und gilt für uns alle.

Zur Hochschulentwicklung – es gibt ein schönes Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird: „Das Leben ist wie Fahrradfahren. Um die Balance zu halten, muss man in Bewegung bleiben.“ Für diesen Satz habe ich sehr viel Verständnis, ich fahre nicht nur gerne Fahrrad, ich bleibe auch in Bewegung, das gilt für das Jahr 2019 genauso wie für die vergangenen 15 Jahre, in denen ich die Ehre habe, diese Universität zu leiten.

Wir zählen 8333 Studierende, 91 Professorinnen und Professoren, 447 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 265 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik und Verwaltung

Wir zählen 8333 Studierende. Wir alle wissen, dass dies eine besondere Herausforderung ist – sowohl für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denen die Ausbildung dieser jungen Menschen anvertraut ist, als auch für die Verwaltung. Die Zahl ist zu hoch. Wir werden aber in der gegenwärtigen Lage diese Zahl nicht herunterfahren können, weil wir nicht die Steuerungselemente haben und weil wir eine Nachfrage haben. Beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer Hannover warb deren Präsident wieder dafür, das duale System zu stärken. Ich bin sehr dafür und könnte mir vorstellen, auch die Berufsschullehrerausbildung nach Hildesheim zu holen. Wir leisten unseren Beitrag in vielen Bereichen auch zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes.

Wir sind nicht in einer Situation, die Zielmarke 7000 Studierende, die ich für angemessen halte, allein durchsetzen zu können. Was wir tun, ist, das Anwachsen weiterer Studierendenzahlen nicht zuzulassen und das Niveau zu halten – Vizepräsident Dr. Matthias Kreysing, Vizepräsident Prof. Dr. Jürgen Sander und das Dezernat für Studienangelegenheiten haben hier hervorragende Arbeit geleistet. Die Zielmarke für das nächste Jahrzehnt sollte 7000 Studierende sein.

Wir zählen 91 Professorinnen und Professoren. Ich lese die Liste der Denominationen von Professorinnen und Professoren (Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren mit eingerechnet) vor, die 2018 ihr Amt antraten: Transmediale Übersetzung, Kirchengeschichte, Mathematik mit dem Schwerpunkt Lehramt Mathematik, Empirische Unterrichtsforschung, die Kollegin für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus ist aus Freiburg zu uns gekommen, Betriebswirtschaftslehre, Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Migrationspolitik, Kuratorische Praxis und Kunstvermittlung, Musiksoziologie und Popular Music Studies, Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften des Sports, Katholische Theologie und Religionspädagogik mit dem Schwerpunkt Systematische Theologie, Gender und Bildungskulturen, Vegetationsökologie und Naturschutz sowie Bildungssoziologie. Ich glaube, das ist eine sehr schöne Bilanz, wir werden darauf aufbauen und weiter fortschreiten in der Gestaltung der verschiedenen Disziplinen an dieser Universität.

Wir haben 447 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit der Mittelbau-Konferenz treffen Vizepräsident Prof. Dr. Meike Baader und ich Ende des Monats zusammen. Auf diesem Treffen wird es um die Kultur der Ermöglichung gehen. Wir möchten im Interesse des wissenschaftlichen Mittelbaus Verbesserungen durchführen.

Wir haben 265 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Technik und Verwaltung. Herzlich begrüße ich Pia Schaarschmidt als neue Personaldezernentin in unserem Hause. An dieser Stelle möchte ich auch den neuen Vorsitzenden der Universitätsgesellschaft, Heinz-Werner Ernst, begrüßen. Die Universitätsgesellschaft fördert seit nunmehr 40 Jahren unsere Arbeit, wofür ich mich herzlich bedanke.  Und ich begrüße ebenfalls unseren Ehrenbürger, den Stifter Rolf Irle, und wünsche ihm alles Gute.

Die Aufgabe, die vor uns liegt, möchte ich unter ein Motto stellen: „Kultur der Ermöglichung“

Zurück zur Hochschulentwicklung im Jahr 2019. Die Aufgabe, die vor uns liegt, möchte ich unter ein Motto stellen: Kultur der Ermöglichung. Der Wissenschaftsrat hat 2013 eine Veröffentlichung vorgestellt zu Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems. Dort heißt es: „Die Finanzierungs-, Rechts- und Förderstrukturen des Wissenschaftssystems sollen die Funktionen des Wissenschaftssystems im Sinne einer Kultur der Ermöglichung unterstützen, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihre jeweiligen Bedarfe die geeigneten Rahmenbedingungen vorfinden und in diesem Rahmen effizient und engagiert arbeiten.“

Eine Kultur der Ermöglichung – darin sehe ich unsere Hauptaufgabe. Was meine ich damit konkret? Der Niedersächsische Landtag hat dankenswerterweise unseren jahrelangen Bemühungen Rechnung getragen und im Haushalt Mitte Dezember 2018 der Universität Hildesheim eine Sockelerhöhung von 1 Millionen Euro dauerhaft und weiterer 930.000 Euro zunächst für ein Jahr – insgesamt knapp 2 Millionen Euro Erhöhung unseres Grundbudgets in diesem Jahr – bewilligt. Es ist geplant, diesen Weg der besseren finanziellen Rahmenbedingungen – also bessere Bedingungen für die Arbeitsverträge, die wir schließen – fortzusetzen. Das ist nicht bahnbrechend, aber ein ganz wichtiger Schritt. Die Rechtsstrukturen haben sich nicht verbessert, das Regelwerk, das der Gesetzgeber schafft, wird immer differenzierter und komplizierter, nicht in böser Absicht, aber das Alltagsgeschäft wird dadurch erschwert.

Die Förderstrukturen liegen in unserer Hand. Wir müssen schauen, was wir fördern wollen. Die Entwicklungsplanung MINERVA 2025 ist in diesem Zusammenhang von herausragender Bedeutung und setzt mit den Leitthemen Bildung, Kultur, Diversität und Digitalisierung die entscheidenden Akzente. Auf diese Leitthemen wollen wir uns in den nächsten Jahren konzentrieren. Und dafür müssen wir geeignete Förderungsstrukturen schaffen, ob das FwN-Stellen sind oder die Ausstattung mit Infrastruktur. Das wird Auswirkungen haben auf die Zielvereinbarung 2019-21, die im Gegensatz zu der Ankündigung des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kultur voller Detailsteuerung sind. Wir werden diese Zielvereinbarungen mit dem Land erarbeiten. Was wesentlich und gut ist: Im Entwurf ist im ersten Teil vom Ministerium anerkannt, dass sich der Fehlbedarf der Universität Hildesheim auf 6 Millionen Euro beläuft.  Die 2 Millionen Euro, die wir in diesem Jahr erhalten sind ein Schritt.

Das Risiko, das vor uns liegt, ist die Verlängerung des Hochschulpaktes 2020, das heißt die Studienplätze, die von Bund und Ländern ko-finanziert werden, die zu dem Wachstum in Hildesheim beigetragen haben. Einige Länder blockieren, während andere, und dazu zählt Niedersachsen, die Aufgabe erfüllt haben, das heißt die Ko- Finanzierung geleistet haben und die eigentlich Verstetigung möchten. Das würde eine weitere Erhöhung der Grundfinanzierung mit sich bringen. Hier ist ein ernstzunehmendes Risiko, was Auswirkungen auf unsere Entwicklungsplanung haben wird, denn unterm Strich geht es um rund 4 Millionen Euro.

Zurück zum Thema – 70 Jahre Grundgesetz: Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gestalten.

„Lassen Sie uns gemeinsam in Bewegung bleiben“

Ich möchte, dass Sie alle bei Ihrem Tun eine Kultur der Ermöglichung bedenken – ob das die Einstellung von wissenschaftlichem Nachwuchs, die Zahl von Erasmusstudienplätzen, die Skizze für ein Forschungsprojekt oder die Ausgestaltung von Prüfungen ist. Ermöglichung für Studierende, sich zu entfalten, Ermöglichung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich zu entfalten, und natürlich in Hinblick auf die Verwaltung ein Klima zu schaffen und zu befördern, in dem deutlich wird: Wir ziehen alle an einem Strang. Zusammenhalt durch Zusammenarbeit.

Ich komme zurück auf Einstein: Das Leben ist wie Fahrradfahren. Um die Balance zu halten, muss man in Bewegung bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam in Bewegung bleiben. Ich wünsche Ihnen ein gesundes und gutes Jahr 2019.

 


Neujahrsansprache von Präsident Wolfgang-Uwe Friedrich am 9. Januar 2019 im Atrium im Forum am Universitätsplatz in Hildesheim. Foto: Daniel Kunzfeld