Wirtschaftsinformatikerin Kristin Kutzner: Wie Museen ihr kulturelles Gut online zur Verfügung stellen

Friday, 05. March 2021 um 06:11 Uhr

Wie kann durch die Digitalisierung kulturelle Teilhabe ermöglicht werden? Durch den Einsatz von Online-Plattformen wie Museums-Webseiten, Social Media oder Blogs ermöglichen Museen den kulturellen Zugang und damit kulturelle Teilhabe für die Gesellschaft. Welche Eigenschaften auf diesen Plattformen zur Verfügung gestellt werden, untersucht und klassifiziert ein interdisziplinäres Forschungsteam der Wirtschaftsinformatik und Kulturpolitik der Universität Hildesheim.

Auf der internationalen Konferenz der Wirtschaftsinformatik wird Kristin Kutzner im März 2021 Erkenntnisse aus der Forschung im Track „Digitisation and Society – Even in Times of Corona“ veröffentlichen.

In ihrer Forschung befasst sich die Wirtschaftsinformatikerin der Universität Hildesheim mit der Frage, wie Einzelne auch unabhängig von jeglichen Einschränkungen Zugang zu Museen und Ausstellungsstücken erhalten können, insbesondere auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie.

Den Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Claudia Roßkopf aus dem Institut für Kulturpolitik und Prof. Dr. Ralf Knackstedt und Dr. Thorsten Schoormann aus dem Institut für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik entstanden.

Kristin Kutzner ist seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Informationssysteme und Unternehmensmodellierung“ am Institut für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik der Universität Hildesheim. Die Wirtschaftsinformatikerin promoviert bei Prof. Dr. Ralf Knackstedt im Bereich der digitalen Transformation.

Interview mit der Wirtschaftsinformatikerin Kristin Kutzner

Frau Kutzner, Sie befassen sich in Ihrer Forschung mit der digitalen Transformation im Bereich der Kultur.

Ich habe in einem dreijährigen Forschungsprojekt gemeinsam mit einem Forschungsteam die Kultur und die digitale Transformation betrachtet. Ich finde es sehr interessant, zu betrachten, wie im Kulturbereich die Digitalisierung voranschreitet und genutzt wird.

Sie haben in dem Forschungsprojekt „Rez@Kultur. Digitalisierung kultureller Rezensionsprozesse: Eine gemischtmethodische empirische Analyse“ gemeinsam unter anderem mit dem  Literaturwissenschaftler Dr. Guido Graf, dem Computerlinguisten Prof. Dr. Ulrich Heid und dem Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Ralf Knackstedt unter anderem untersucht, wie sich der digitale Wandel auf die Kritik kultureller Objekte auswirkt.

Das Bundesforschungsministerium förderte das Projekt in der Förderrichtlinie „Digitalisierung in der kulturellen Bildung“. Das Lesen und Kommentieren im digitalen Raum wurde bisher kaum international erforscht und Ihre Grundlagenforschung konnte erste Erkenntnisse in diesem Feld liefern.

Es war sehr interessant, mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft zusammenzuarbeiten. Deshalb wollte ich weiterhin die digitale Seite der Kultur betrachten.

Nun untersuchen Sie – erneut in einem interdisziplinären Forschungsteam –, wie Museen digital Zugang zu Kultur ermöglichen. Erste Erkenntnisse werden Sie am 9. März 2021 auf der internationalen Konferenz der Wirtschaftsinformatik vorstellen. Was haben Sie untersucht?

Wir untersuchen, wie Museen ihr kulturelles Gut auch online zur Verfügung stellen und wie über Online-Plattformen Teilhabe und Austausch möglich ist. Gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie ist die Frage des Zugangs besonders relevant, da Museen schließen mussten und Einzelne an Kulturgütern nicht teilhaben konnten. Aber die Frage stellte sich schon vor Corona, denn ein Museeum wie die Pinakothek der Moderne in München ist für eine Person in Niedersachsen schwer erreichbar, wenn man nicht direkt dorthin reisen kann. Die geografischen Entfernungen zu Kulturgütern waren schon immer eine Hürde.

Wie sind Sie in Ihrer Untersuchung vorgegangen?

Mit meiner Kollegin, der Kulturpolitikforscherin Claudia Roßkopf, habe ich die Webauftritte von Kunstmuseen analysiert: Wie präsentieren diese ihr Kulturgut online? Wir haben zehn digital aktive Kunstmuseen wie zum Beispiel die Pinakothek der Moderne in München, das Städel in Frankfurt am Main, das Sprengel-Museum in Hannover und die Deichtorhallen in Hamburg, deren Webseiten und deren Online-Sammlungen betrachtet. Zusätzlich haben wir die Social-Media-Auftritte von 13 Museen und sieben Kunstblogs analysiert. Wir möchten auch kleineren Museen durch unsere Analyse einen Einblick geben, was digital möglich ist.

Was sind hierbei Erkenntnisse?

Viele Kunstmussen präsentieren ihre Sammlungen digital, das ist ein guter Weg. Leider ermöglichen die Museen keinen Diskurs auf ihren Webseiten, man kann keine Rezensionen oder Bewertungen zu einem Kunstobjekt hinterlassen oder sich hierzu mit anderen austauschen, das ist schade und der fehlende Austausch eine vertane Chance.

Mit diesem Austausch, der Interaktion und dem Kommentieren im digitalen Raum haben Sie sich schon in dem BMBF-Projekt in der Grundlagenforschung befasst. Die Frage des Austauschs ist auch in Ihrer neuerlichen Analyse wieder zentral. Es reicht also nicht aus, wenn Museen ihre Sammlung im Netz zeigen? Der Diskurs, der auch vor dem Originalkunstwerk im Museeum möglich ist, ist essentiell?

Genau, das wird von den Museen leider momentan auf die Social Media-Kanäle ausgelagert und verschwindet dort im Laufe der Zeit. Das Potential ist doch bei den Museen vorhanden, manche bieten sogar 360-Grad-Rundgänge in ihrem Webauftritt an. Der Diskurs zwischen den Menschen im Museum könnte auch digital auf den Museums-Webseiten ermöglicht werden, so unsere Empfehlung.

Welchen Beitrag leistet Ihre Fachdisziplin, die Wirtschaftsinformatik, um kulturelle Teilhabe zu ermöglichen?

Die Wirtschaftsinformatik befasst sich mit der Gestaltung von Informationssystemen. In meiner Forschung beziehe ich mich auf kulturelle Informationssysteme und nach welchen Prinzipien diese gestaltet werden können. Zukünftig wäre es sehr interessant, direkt mit Museen in einen Austausch zu treten, was sie sich im digitalen Raum wünschen. Wir haben uns mit Kunstmuseen und zeitgenössischer Kunst befasst, es ist künftig auch interessant, die Forschungsfrage auf weitere Museen – auch in Hildesheim – auszuweiten.

Eine abschließende Frage: Was bedeutet Ihnen die interdisziplinäre Forschung, wie sie zum Beispiel vom Zentrum für Digitalen Wandel / Center for Digital Change befördert wird?

Die interdisziplinäre Herangehensweise in der Forschung ist inspirierend und wertvoll. So können wir verschiedene Perspektiven einbeziehen, gemeinsame neue Forschungsfragen entdecken und bekannte Ansätze aus einer Fachdisziplin in einen neuen Kontext bringen. Es ist sinnvoll, das Wissen zu nutzen.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Hintergrund: Grundlagenforschung „Rez@Kultur“

Wie wirkt sich der digitale Wandel auf kulturelle Bildungsprozesse aus? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Hildesheimer Forschungsprojekt „Rez@Kultur. Digitalisierung kultureller Rezensionsprozesse: Eine gemischtmethodische empirische Analyse“ über drei Jahre bis 2020 gefördert. Mit Lesen verbundene soziokulturelle Praktiken in digitalen Netzwerken wurden bisher kaum national oder international erforscht.

Das Hildesheimer Forschungsteam hat die empirische Grundlagenforschung ausgebaut und dabei Methoden aus dem Bereich „Big Data“ angewendet. Mit computerlinguistischen Werkzeugen haben die Forscher*innen große Datenbestände ausgewertet und Textmengen analysiert, die zum Beispiel auf Blogs und Online-Portalen (etwa in Kundenrezensionen) im Netz erzeugt werden. Der Fokus lag auf deutschsprachigen Rezensionen zu Kunst und Literatur.


Kristin Kutzner forscht in der Abteilung „Informationssysteme und Unternehmensmodellierung“ am Institut für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik der Universität Hildesheim. Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim

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