Wege in der Wissenschaft: Forschungsaufenthalte

Thursday, 17. March 2016 um 19:15 Uhr

Immer an einem Ort forschen und lehren? Wie verlaufen Wege in der Wissenschaft? Tipps von der Hildesheimer Medienwissenschaftlerin Professorin Stefanie Diekmann, die zu mehrmonatigen Forschungsaufenthalten nach Konstanz und Weimar aufbricht.

Welche Modelle gibt es, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern? In der Qualifikationsphase während und nach der Promotion seien die Angebote noch vielfältig, sagt Stefanie Diekmann, Professorin für Medienkulturwissenschaft an der Universität Hildesheim. „Aber wenn man die Professur erreicht hat, ist das Angebot nicht mehr so groß.“

In Hildesheim gibt es die Forschungssemester: Professorinnen und Professoren können nach etwa acht Semestern für ein sogenanntes „Forschungssemester“ von der Lehrtätigkeit und Verwaltungsaufgaben freigestellt werden, um sich intensiv einem Forschungsvorhaben zu widmen. „Das wird in Hildesheim ernst genommen“, sagt Stefanie Diekmann.

Die Medienwissenschaftlerin profitiert nun von einem „Nebeneffekt“ der bundesweiten Exzellenzinitiative: Sie wurde zu mehrmonatigen Forschungsaufenthalten nach Konstanz und Weimar eingeladen. An beiden Universitäten entstanden Forschungskollegs, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in allen Phasen ihrer Karriere fördern.

Die Einladung kommt zum passenden Zeitpunkt: Seit vier Jahren forscht und lehrt Stefanie Diekmann in Hildesheim auf dem Kulturcampus, 2012 wurde sie auf eine unbefristete W-3-Professur berufen. Zuvor hatte sie zwei Jahre als Professorin für Medien und Theater an der LMU München verbracht. „Bevor ich eine feste Professur hatte, habe ich mehrfach vertreten, in Potsdam, Berlin und Frankfurt/Oder“, erinnert sich Diekmann an diese eher unsichere Phase im Berufsleben. In den 90er Jahre begann ihr Weg in die Wissenschaft mit einem Studium am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen; später folgten mehrmonatige Forschungsaufenthalte in New York, Austin/Texas, Bern und Cork, die Promotion (1999) und die Habilitation (2008).

Von den Forschungsaufenthalten als Gastwissenschaftlerin in Konstanz und Weimar erhofft sich die Professorin neue Impulse für die Forschung und Lehre. Zunächst wird Stefanie Diekmann von April bis Oktober 2016 am „Kulturwissenschaftlichen Kolleg“ des Exzellenzclusters an der Universität Konstanz forschen und mit Kollegen aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften zusammenarbeiten. „Ich untersuche Interviews, ein eigenes Format innerhalb des Dokumentarfilms. Ich schaue mir scheiternde Interviews und Filme über diesen Krisenzustand an. Interviews werden abgebrochen, jemand legt auf, steigt aus, beendet das Gespräch.“ Danach ist sie für zwei Semester zurück in Hildesheim, dann folgt 2017/18 ein Aufenthalt am „Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie“ an der Bauhaus-Universität Weimar.

„Wenn man einen Gastaufenthalt plant, ist es wichtig, solche Prozesse zu moderieren, das darf nicht zur Belastung meiner Hildesheimer Kolleginnen und Kollegen werden“, sagt Diekmann. Die Exzellenz-Kollegs bezahlen daher Vertretungen für die Lehre in Hildesheim. Und so werden 2016 und 2017/18 eine  Expertin für Medien und Migration von der HBK Braunschweig und ein Experte für Film und Digitalkultur von der Universität Bochum die Lehre in den Medienwissenschaften auf dem Kulturcampus verstärken. „Das passt inhaltlich, die Kollegin befasst sich mit der medialen Organisation und Repräsentation von Migration sowie mit Medien und Politik, der Kollege mit verschiedenen Facetten des Bewegtbildes im digitalen Zeitalter. Film ist ein Schwerpunkt in den Hildesheimer Kulturwissenschaften. Das sind starke Impulse für die Hildesheimer Lehre, und beide Kolleg_innen bringen gute Praxiskontakte mit“, freut sich Stefanie Diekmann.

Vom Dekan ihres Fachbereichs, Professor Jens Roselt, und aus der Uni-Verwaltung habe sie sehr viel Unterstützung erhalten. „Das Finanz- und Personaldezernat war entgegenkommend, hat die Verwaltungsvorgänge unkompliziert bearbeitet, die Hochschulleitung ist einverstanden“, sagt Diekmann über das positive Klima an der Hildesheimer Uni.

„Ich freue mich auf den mehrmonatigen Aufenthalt. Wenn man länger an einem Ort forscht, ergeben sich zwischendrin, in den Pausen, zwischen den Büros an dem Ort der Forschung soziale Kontakte, Momente und Zwischenzeiten von unvorhersehbarer Qualität“, sagt die Professorin.

Vernetzung und gemeinsame Zeit spielen eine große Rolle, sagt Stefanie Diekmann über ihren Weg in der Wissenschaft von der Promotion bis zur Professur. „Meine wichtigen wissenschaftlichen Kontakte basieren auf geteilten Interessen. Rein administrativ, top-down und von oben herab sind Wissenschaftskooperationen schwer zu realisieren.“

Dem wissenschaftlichen Nachwuchs rät Stefanie Diekmann, Vorträge zu halten, um eine Sicherheit im Umgang mit der wissenschaftlichen Community und fachliche Kontakte aufzubauen. Dabei zählt vor allem die Qualität. „Lieber weniger als mehr. Das musste ich auch erst lernen. Besser zwei bis drei richtig gute Vorträge im Jahr als acht halbherzige Beiträge. Ich erlebe es oft, dass Wissenschaftler nur zu einem Vortrag anreisen. Man sollte sich aber auf den Tagungsort einlassen. Es geht mindestens genauso darum, dass man sich für die Arbeit der Kollegen interessiert.“ Sie habe als junge Wissenschaftlerin häufig Konferenzberichte geschrieben, sich am Diskurs beteiligt, nachgefragt. „Ich pflege meine Wissenschaftsbeziehungen. Ich bedanke mich immer noch für jede Vortragseinladung, die ich erhalte, weil ich mich auch einfach darüber freue, dass jemand sich für meine Forschung interessiert.“

Tagung in Hannover: Wie analoge Medienapparate präsentiert werden

Prof. Dr. Stefanie Diekmanns Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Medienästhetik und Medienkultur. Sie forscht zur Theorie und Geschichte des Films und der Fotografie. Derzeit bereitet die Professorin mit ihrem Kollegen Dr. Volker Wortmann von der Uni Hildesheim eine internationale, interdisziplinäre Tagung in Zusammenarbeit mit dem Sprengel-Museum in Hannover vor.

Dabei zeigen die Fachleute anhand von Fallstudien, wie analoge Medienapparate präsentiert und inszeniert werden. „Wir erleben einen Rückbau des Materiellen. Früher stand ein klobiger Fernseher in den Wohnzimmern. Heute kann ein kleines Smartphone fast alles. Wir sind in einer Transit-Phase. Medienapparate erleben sorgfältig inszenierte Auftritte im Kino, Museum und Theater. Sie sind aber noch nicht ganz in der Vitrine angekommen“, sagt Diekmann. Das Verstreichen von Zeit und die ungeheure Entwicklung in der Medientechnik dokumentiert etwa der Trailer zum Sequel des Films „Wall Street“.

Die Konferenz „Die Attraktion des Apparativen“ findet vom 10. bis 11. Juni 2016 im Sprengel-Museum statt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Tagung ist öffentlich. Das Programm wird im Mai online gestellt.

Immer an einem Ort forschen und lehren? Wie verlaufen Wege in der Wissenschaft? Tipps von der Hildesheimer Medienwissenschaftlerin Professorin Stefanie Diekmann, die zu mehrmonatigen Forschungsaufenthalten nach Konstanz und Weimar aufbricht.


Aufenthalte an anderen Universitäten bringen neue Impulse für die Forschung und Lehre: „Wenn man länger an einem Ort forscht, ergeben sich zwischendrin – in den Pausen, zwischen den Büros – soziale Kontakte, Momente und Zwischenzeiten von unvorhersehbarer Qualität“, sagt Professorin Stefanie Diekmann, hier auf dem Uni-Campus in Hildesheim. Jungen Wissenschaftlerinnen und wissenschaftlern rät Diekmann, auf Qualität bei Vorträgen zu setzen. „Lieber weniger als mehr. Das musste ich auch erst lernen. Besser drei richtig gute Vorträge im Jahr als acht halbherzige Beiträge.“ Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim

Aufenthalte an anderen Universitäten bringen neue Impulse für die Forschung und Lehre: „Wenn man länger an einem Ort forscht, ergeben sich zwischendrin – in den Pausen, zwischen den Büros – soziale Kontakte, Momente von unvorhersehbarer Qualität“, sagt Professorin Stefanie Diekmann, hier auf dem Uni-Campus in Hildesheim. Jungen Wissenschaftlerinnen und wissenschaftlern rät Diekmann, auf Qualität bei Vorträgen zu setzen. „Lieber weniger als mehr. Das musste ich auch erst lernen. Besser drei richtig gute Vorträge im Jahr als acht halbherzige Beiträge.“ Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim

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