Physik fachfremd unterrichten

Tuesday, 20. October 2009 um 00:00 Uhr

Zweiter Durchgang der Weiterbildung an der Universität Hildesheim gestartet, erster Durchgang mit Zertifikaten beendet

"Bitte unterrichten Sie ab dem nächsten Schuljahr die fünfte und die siebte Klasse im Fach Physik." Wenn Schulleiter diese Bitte äußern, vermuten sie bei ihren Kolleginnen und Kollegen eine fachliche Nähe zur Naturwissenschaft Physik, auch wenn diese vielleicht "nur" Mathematik, Chemie oder Biologie neben Geschichte, Erdkunde, Wirtschaft, Sport, Religion, Hauswirtschaft, Kunst oder Musik unterrichten. Physik ist definitiv ein Mangelfach in der Sekundarstufe I in Niedersachsen, das heißt, der Bedarf an qualifizierten Physiklehrerinnen und -lehrern ist deutlich höher als deren Zahl. Fachfremd eingesetzte Lehrkräfte sind die pragmatische Antwort auf dieses Problem, wenn der Unterricht nicht ausfallen soll.
Für fachfremd unterrichtende Lehrkräfte an Niedersachsens Haupt-, Real-, Gesamt- und Förderschulen bedeutet dies, sich mit geringer oder gar völlig ohne fachliche Unterstützung in das Abenteuer Physikunterricht zu stürzen, die technischen Geräte der Physiksammlung zu verstehen, zu ordnen und zu Experimenten zu arrangieren, einen didaktisch anspruchsvollen, interessanten und begeisternden Physikunterricht vorzubereiten und nach den ministeriellen Vorgaben der Kerncurricula und Rahmenrichtlinien für das allgemein bildende Schulwesen durchzuführen. Dabei bleiben natürlich Wünsche offen: nach fachlicher und experimenteller Sicherheit, nach Ideen für modernen Physikunterricht im Rahmen der Curricularen Vorgaben, nach effizienter Strukturierung der Unterrichtseinheiten, kommentierten Unterrichtsentwürfen und praxistauglichen Arbeitsmaterialien, nicht zuletzt aber auch nach fachlichem Erfahrungsaustausch.
Sigrid Latta-Büscher, Direktorin beim Niedersächsischen Landesamt für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS) kennt diese Sorgen und fand bei Prof. Dr.-Ing. Jürgen Rüdiger Böhmer am Institut für Physik und Technik (IPT) der Universität Hildesheim eine offene Tür und ein inhaltliches Konzept, das im Kultusministerium auf Zustimmung stieß. Im Oktober 2008 begann so im Auftrag des Kultusministeriums durch das NiLS der Pilotdurchgang einer neu konzipierten Weiterbildungsmaßnahme für 20 Lehrerinnen und Lehrer, die das Fach Physik fachfremd in der Sekundarstufe I unterrichten; mehr als 150 Personen hatten sich auf einen der Plätze beworben. Die jeweils einjährige Weiterbildungsmaßnahme setzt sich zusammen aus drei Wochenkursen am Institut für Physik und Technik (Präsenzphasen) und internetgestützten Arbeitsphasen dazwischen. Fachliche Schwerpunkte sind Mechanik, Optik, Elektrizität, Magnetismus, Thermodynamik und Energielehre sowie der Einsatz von Computern im Physikunterricht. Durch regelmäßige Teilnahme an den Präsenzphasen und aktive Mitarbeit in den internetgestützten Arbeitsphasen werden die Grundlagen gelegt für den Erwerb eines Zertifikats des NiLS, das die erfolgreiche Teilnahme bescheinigt, und zu dessen Erwerb eine schriftliche unterrichtsbezogene Themenbearbeitung und ein Abschlusskolloquium vorgesehen sind. So konnten am 2. Oktober 2009 den erfolgreichen Teilnehmern des ersten Durchgangs nicht nur ihre Zertifikate überreicht werden, sondern ebenfalls eine CD, auf der alle erarbeiteten Unterrichtsbeiträge für den späteren Einsatz in den Schulen archiviert wurden.
Die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Pilotphase des ersten Durchgangs kommen dem zweiten Durchgang unmittelbar zugute. Die erste Präsenzwoche für nun 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fand in der ersten Woche der Herbstferien statt, mehr als 120 niedersächsische Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Niedersachsen hatten sich zuvor wieder hierfür beworben. Nach jeweils einer themenbezogenen theoretischen Einführung zu den inhaltlichen Grundlagen und den curricular geforderten Kompetenzzielen wurde der Gerätekunde und praktischen Tätigkeiten breiter Raum zugewiesen, Demonstrations-, Schüler- und Freihandexperimente durchgeführt und mit Blick auf die Schulpraxis eingehend diskutiert. Sehr geschätzt wurde die Gruppenarbeit, bei der der Ernstfall der Vorbereitung einer Unterrichtsstunde geprobt, analysiert und schließlich bewertet wurde. Am Ende der ersten Präsenzwoche fanden alle Teilnehmer, dass trotz des eng gefassten Themenplans und der langen Kurstage weder Langeweile noch Ermüdung aufkamen – Physikunterricht ist eben spannend.


Bild: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weiterbildungsmaßnahme

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weiterbildungsmaßnahme