Nachricht aus Cannes

Monday, 13. April 2015 um 11:06 Uhr

Das bedeutendste europäische Filmfestival lädt Hanna Seidel und Gwendolen van der Linde ein, ihre Kurzfilme zu zeigen. „Filmdreh ist eine Teamleistung“, verdeutlichen sie. Zahlreiche Filmschaffende hatten sich für die Sektion „Short Film Corner“ beworben. Beide Filmemacherinnen studieren an der Universität Hildesheim mit dem Schwerpunkt Medien.

Als Gwendolen van der Linde vor einem Jahr einen Wald mit Tümpel in das Filmstudio der Uni baute und das Horrorszenario geschah – der Teich brach durch und der Boden wurde nass –, konnte die Studentin der Kulturwissenschaften nicht ahnen, wie froh sie über diesen Filmdreh einmal sein wird. „Insgesamt war der Dreh die genialste Erfahrung meines Lebens, vor allem hat es zum ersten Mal so richtig geklappt mit dem Regie führen“, sagt die 25-jährige Studentin über den Dreh zum Film „Welt bedeuten“.

Nun kann sie bald – wie auch die Studentin Hanna Seidel – ihre Koffer packen, um den Film in Cannes zu zeigen. Beide studieren „Szenische Künste“ an der Universität Hildesheim und wurden mit ihren Kurzfilmen zu dem bedeutendsten europäischen Filmfestival eingeladen.

„Das ist eine ungewöhnliche Auszeichnung“, freut sich Stefanie Diekmann, Professorin für Medienkulturwissenschaft an der Universität Hildesheim. Dass gleich zwei Kurzfilme von Studentinnen des Instituts für Medien, Theater und Populäre Kultur für die „Short Film Corner“ des Filmfestivals ausgewählt wurden, hat im Institut Begeisterung ausgelöst. Diese „Ecke“ der jungen Filmemacherinnen und Filmemacher  sei zwar eine „ziemlich weiträumige“: In mehreren Programmen laufen einige hundert Kurzfilme, die auch alle ins Cannes-Archiv kommen. Mehr als 10.000 Filme werden jedoch gewöhnlich für diese Sektion eingereicht, und „wir können auf den Erfolg der Studierenden wirklich stolz sein“, so Diekmann.

Erstmals zeigen damit Hildesheimer Studentinnen in Cannes vom 13. bis 24. Mai 2015 ihr Können. Auf anderen Festivals – etwa in Oldenburg, in Timbuktu und bei der „Sektion Forum Expanded“ bei der Berlinale – waren Hildesheimer Medien-Studierende durchaus schon vertreten. Ungewöhnlich an der Cannes-Einladung sei auch, so Diekmann, dass sich beide Filmemacherinnen zum Zeitpunkt der Einreichung noch im Bachelor-Studium befunden haben. Studierende aus jüngeren Semestern tauchen in den Festival-Programmen im Allgemeinen eher selten auf.

Filmdrehen ist eine Teamleistung, verdeutlicht die 24-jährige Hanna Seidel. Die Studentin arbeitet im Filmkollektiv „Film Fatale“. An dem Film „Destroy Roy“, den sie in Cannes zeigen darf, haben knapp 50 Personen mitgewirkt. Von der Aufnahme- und Produktionsleitung über Szenen- und Maskenbild bis hin zum Oberbeleuchter, Set- und Technik-Runner: Die Hildesheimer Studierenden konnten im Uni-eignen Filmstudio auf dem Expo-Gelände in Hannover drehen, „mit allem Schnick Schnack“, so Seidel. Für die Fertigstellung hat sich die Studentin „tagelang in den Schnittraum eingeschlossen“. „Das ist unser Film. Es ist doch gerade beim Film eine absolute Teamleistung und nicht die eines einzelnen, das wird leider oft verdreht“, sagen Hanna Seidel und Produzentin Christine Duttlinger. Dabei weisen sie auf die Unterstützung im Studium hin: „Mein Dozent Uwe Schrader war seit meiner ersten Filmidee 2011 und während der Drehzeit eigentlich immer für mich da.“ Und finanziell haben sich – Dank der jungen Produzentin Christine Duttlinger – das Studierenden-Parlament (StuPa), die Stadt Hildesheim, die Universitätsgesellschaft sowie Privatpersonen für das Projekt der jungen Regisseurin engagiert. Als nächstes plant das Filmkollektiv einen Zombiefilm zu drehen, „mit starken Frauenfiguren“, so Seidel.

Es kommt nicht allein darauf an, gute Filme drehen zu können, sondern auch im Team zusammen zu arbeiten. „Wir vermitteln im Studium, wie wichtig es ist, etwas von der Arbeit der anderen Leute am Set zu verstehen, um sie entsprechend zu schätzen und gut zwischen den verschiedenen Akteuren kommunizieren zu können. Im besten Fall sind es ja nicht Regisseure oder Beleuchter, die bei den Projekten des Instituts und im Studio Hannover ausgebildet werden, sondern erst einmal kluge, kundige Generalisten – die sich später weiter spezialisieren und einzelne Aspekte ihrer Arbeit vertiefen“, sagt Professorin Diekmann.

Beide Filme sind im Projektsemester 2014 des kulturwissenschaftlichen Fachbereichs der Universität Hildesheim in einem Seminar von Professor Uwe Schrader im Studio Hannover entstanden. Dabei ging es um das Thema „Film im Film“ und um den Film als ein „verschwenderisches Medium“, wie Uwe Schrader ihn nennt. In dem Rahmen entstand auch ein Film des Studenten Niels Schreiner, der auf dem Filmfestival in Oldenburg lief.

Und es geht weiter: Am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur nehmen die Studierenden auch im Sommersemester 2015 Filme analysierend auseinander und drehen selbst, etwa in den Seminaren „Improvisation im Film“ oder „Trashfilme – Kino wider den guten Geschmack". Im Seminar „Paare" von Professor Uwe Schrader drehen Studierende kleine, in sich abgeschlossene Kurzfilme auf 16mm Filmformat. Das Interesse der Studierenden am Film sei immens, so Professorin Stefanie Diekmann, die über das Zusammenspiel von Film  und Fotografie, von Kino und Theater und über dokumentarische Formate forscht. Sie konnte diesmal unter anderem den Filmemacher Jakob Lass und den Berliner Filmpublizisten und Filmkritiker Thomas Groh für Lehraufträge in Hildesheim begeistern: „Diese Kontakte zur Praxis werden wir auf jeden Fall weiter ausbauen, zumal Ereignisse wie die Cannes-Einladungen uns doch sehr ermutigen, das Theorie-Praxis-Konzept unseres Fachbereichs weiter zu entwickeln.“

Die zwei Kurzfilme im Überblick – und die studentischen Crews dahinter

Kurzfilm „Welt bedeuten“

Welt bedeuten, eine Satire auf den Funktionalismus des Fernsehbetriebs. Foto: Marco Müller

„Das ist Willis erster Tag auf einem richtigen Fernsehset. Ein Krimi in einem Wald wird gedreht. Ein richtiger Wald. In einem richtigen Studio. Willi ist aufgeregt. Dies wird sein großer Durchbruch... Ok, ich bin zwar nur mit den Schuhen im Bild zu sehen, die Fußabdrücke hinterlassen, aber immerhin: ich werde meinen Fußabdruck im Fernsehen hinterlassen!“ – Willi

Synopsis: Eine Krimi Set-Satire die in der Albtraum Version eines Fernsehstudios spielt, in der alle Crew-Mitglieder auf den Statisten Willi wie Klischee-Krimi-Figuren wirken: die Kostümfrauen als Polizistinnen, die Setrunnerinnen als Prostituierte, der Aufnahmeleiter als Richter, der Regisseur als Mafioso, der Kameramann als schmieriger Detektiv, die Maskendame als eine Drag Femme Fatale. Von all diesen absurden Figuren wird Willi nach und nach immer mehr malträtiert, bis hin zu einem zombie-esken Finale. Eine Satire auf den reinen und abgekarteten Funktionalismus des Fernsehbetriebes.

Crew: Regie & Buch: Gwendolen van der Linde | Kamera: Marco Müller & Christopher Aoun | Kameraassistenz: Paulina Lorenz | Licht: Marco Minwegen | Lichtassistenz: Marie König | Ton: Maximilian Schmidt | Szenenbild: Katharina Laage & Susanne Leisten | Kostüm: Laura Leske | Maskenbild: Florian Schneider, Daria Knorr & Karina Reisenegger | Aufnahmeleitung: Alexa Hoffmann | Setrunner: Jule Kriesel | Catering: Annika Henrich, Li Ming Richter | Musik: Dustin Zorn | Credit Song: Seabourn || Cast: Timo Baer, Simone Gorholt, Carly Schrader, Valentin Kleinschmidt, Benjamin Krüger, Florian Schneider, Rebekka Mueller, Wiebke Pannhausen, Julia Rüegger, Andy Kubiak | Dauer: 16.20 min, Genre: Horror-Satire, Format: digital

Kurzfilm „Destroy Roy“ vom Filmkollektiv Film Fatale und der Universität Hildesheim

Destroy Roy, eine Liebe zur Kamera. Foto: Simona Bednarek/Bednarek Photography

Lange Synopsis: Roy ist Kameramann. Und Roy liebt Trudie, seine alte Arri ST, die er immer bei sich trägt. Seinen Mitmenschen erlaubt er nur selten, diese anzufassen. Vor allem die Kameraassistentin Trish versucht immer wieder, Trudie nahe zu kommen. Das funktioniert aber eher schlecht, weil Roy Trudie so gut wie nie aus der Hand gibt. Eines Tages bewegt sich Roy beim Drehen sehr dynamisch und knickt um. Da der Film schnellstmöglich abgedreht werden muss und Roys Knöchel verstaucht zu sein scheint, erteilt der Regisseur Trish nun die Erlaubnis, mit Trudie zu drehen. Trishs Traum geht in Erfüllung.  Roy ist sehr eifersüchtig auf Trish, die nicht nur mit seiner Trudie dreht, sondern auch noch- im Gegensatz zu ihm- von Regie und Set-AL ernst genommen wird. Als Drehschluss ist und die Crew das Set verlässt, passt Roy Trish ab und konfrontiert sie mit dem Verdacht, dass sie eine Affäre mit seiner Kamera habe. Die Situation eskaliert bis aufs Blut.

Kurze Synopsis: Roy ist Kameramann und liebt seine Kamera- wie es auch seine Assistentin Trish tut. Eines Tages konfrontiert er sie mit der Anschuldigung, eine Affäre mit seiner Kamera zu haben. Die Situation eskaliert.

Crew: 1. Set-Aufnahmeleitung Dennis Mielke | 2. Set-Aufnahmeleitung (Set-AL) Eric Christopher Straube | Set-Runner David Marquardt | Set-Runner Myriam Sugasaga | Setrunner Carly Schrader | Setrunner Ida Sassenberg | Technik-Runner Judith Geilen | Catering Niko Mölter | Catering Inez Seidel | Produktionsleitung Christine Duttlinger | Produktionsassistenz Johanna Baschke | Produktion sonstige Max Seidel | Produktion sonstige Andreas Seidel | Produktion sonstige Betty Peter | Regie Hanna Seidel | 1. Regieassistenz Konstantin Korovin | Script / Continuity Linda Schüle | Kamera Marco Müller | 1. Kameraassistenz Jasper Landmann | 2. Kameraassistenz Laura Wilke | Standfotograf Simona Bednarek | Oberbeleuchter Hendrik Römer | Beleuchter Rene Zander | Beleuchter Leon Kuklinski | Beleuchter Marco Minwegen | Szenenbild Sarah Cosfeld | Kostümbild Georgia Lohe | Kostümbildassistenz Jaana Heine | Maskenbildner Maren Taphorn | Maskenbildassistenz Maike Wahalla | Maskenbildassistenz Svenja Tezel | SFX Make-Up Sebastian Backes | Kostümassistenz Emily Grunert | Settonmeister Alexander Schröder | Settonassistenz Sven Weimar | Cutter / Editor Hanna Seidel | Visual Effects Timo Krahl | Musik Stephan Punschke | Drehbuchautor Hanna Seidel || Cast: Roy: Jürgen Lehmann, Trish: Ramona Eitel Villar, Dirndl Suse: Margarethe Tiesel, Regisseur: Henning Hartmann, Set-AL: Hendrik Flacke, Maskendame: Nikoletta Patricia Podlecki, Lederhosenmann: Dieter Weichbrodt, Musiker im Aufnahmestudio: Timo Krahl | Dauer: 9:30, Genre: Groteske

Medienkontakt: Pressestelle Uni Hildesheim (Isa Lange, presse@uni-hildesheim.de, 05121.883-90100)


Medienstudentinnen auf dem Weg zum Filmfestival Cannes: Im Mai 2015 werden Studierende die Filme „Destroy Roy" und „Welt bedeuten" zeigen. Die Filme entstanden im Rahmen eines Seminars im Filmstudio auf dem Expogelände bei Professor Uwe Schrader von der Universität Hildesheim. Fotos: Simona Bednarek/Bednarek Photography (2 Farbe), Marco Müller (1 sw)

Medienstudentinnen auf dem Weg zum Filmfestival Cannes: Im Mai 2015 werden Studierende die Filme „Destroy Roy" und „Welt bedeuten" zeigen. Die Filme entstanden im Rahmen eines Seminars im Filmstudio auf dem Expogelände bei Professor Uwe Schrader von der Universität Hildesheim. Fotos: Simona Bednarek/Bednarek Photography (2 Farbe), Marco Müller (1 sw)

Medienstudentinnen auf dem Weg zum Filmfestival Cannes: Im Mai 2015 werden Studierende die Filme „Destroy Roy" und „Welt bedeuten" zeigen. Die Filme entstanden im Rahmen eines Seminars im Filmstudio auf dem Expogelände bei Professor Uwe Schrader von der Universität Hildesheim. Fotos: Simona Bednarek/Bednarek Photography (2 Farbe), Marco Müller (1 sw)

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