Nach neun Monaten Professor: Fachkommunikationswissenschaftler Thorsten Dick

Friday, 13. December 2019 um 09:47 Uhr

Während der universitätsweiten Promotionsfeier wurden 60 Doktorandinnen und Doktoranden aller Fachbereiche geehrt. Unter den Promovierenden ist auch Thorsten Dick, der gerade einen rasanten Karrieresprung als Wissenschaftler macht. Der Fachkommunikationswissenschaftler hat Ende Januar 2019 seine Doktorarbeit an der Universität Hildesheim erfolgreich abgeschlossen. Gerade einmal neun Monate später erhielt sein Doktorvater Professor Klaus Schubert die erfreuliche Nachricht, dass sein ehemaliger Doktorand zum November 2019 auf eine Professur an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen berufen wurde. Im Interview verrät Thorsten Dick, was ihn in der Forschung antreibt.

Interview mit Prof. Dr. Thorsten Dick

Herr Professor Dick, Sie haben Anfang des Jahres Ihre Doktorarbeit in der Disputation an der Universität Hildesheim verteidigt. Nach nur neun Monaten sind Sie auf eine Professur berufen worden. Haben Sie schon durchatmen können, sind Sie erstaunt, wie rasant der Karrieresprung verläuft?

Tatsächlich ging alles sehr schnell. Nachdem ich 2014 meine Stelle in der freien Wirtschaft aufgegeben hatte, betrat ich die akademische Welt durchaus mit dem Ziel einer Professur. Solch ein Vorhaben kann in der Praxis jedoch mit Tücken behaftet sein. Hier konnte ich sehr von der akademischen wie persönlichen Begleitung durch meine Doktoreltern Prof. Dr. Klaus Schubert und Prof. Dr. Bettina Kluge profitieren, die neben dem Großprojekt Promotion stets auch meinen weiteren Weg im Blick hatten. Intensiv in Erinnerung geblieben ist mir der Dezember 2018: Die Ausschreibung für die Professur war gerade veröffentlicht und nun galt es, parallel zur Vorbereitung auf die Disputation Bewerbungsunterlagen in der erforderlichen Güte zu erstellen. Nach der erfolgreichen Disputation Ende Januar 2019 stand neben der Vorbereitung der Probevorlesung dann die Aufbereitung meiner Dissertation zum Manuskript für die Publikation an. Neun Monate später scheinen die damaligen Mühen in weiter Ferne und ich freue mich auf die Herausforderungen, die meine neue Position mit sich bringt.

In ihrer Dissertation am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation setzen Sie sich mit dem Thema „Fachlich kommunizieren mit sich selbst“ auseinander. Sie untersuchen Notizen, die technische Redakteure bei ihrer Recherche anfertigen und dann später selbst benutzen. Eine Erkenntnis, zu der Sie kamen?

Eine Erkenntnis, zu der ich in meiner Dissertation kam, lautet, dass der Prozess der Notizenerstellung lange vor der eigentlichen Notizennahme beginnt und nicht mit der vollständig abgearbeiteten Notiz endet. Eine Recherchenotiz verhält sich anders als eine Einkaufsliste, die en passant erstellt, im nächsten Schritt rezipiert und anschließend entsorgt wird. Recherchenotizen als Form der schriftlichen Kommunikation mit sich selbst bieten Möglichkeiten der Kommunikationsoptimierung, die in der interpersonalen schriftlichen Kommunikation nicht gegeben sind.

Warum ist Ihre Forschung keine Zeitverschwendung – warum ist es wichtig, in diesem Bereich zu forschen?

Gerade in der aktuellen Übergangsphase, in der sich die papiergebundene technische Dokumentation im Rückzug befindet und digitale Informationsprodukte in den Vordergrund treten, ist eine wissenschaftliche Begleitung notwendig. Hier ist einerseits der Blick auf die technische Redaktion und ihre sich im Wandel befindenden Prozesse möglich, und andererseits jener auf die Rezipient/inn/en mit ihren dynamischen Anforderungen bei der Verwendung digitaler Informationsprodukte. Damit einher geht, dass praktische Fachkommunikation wechselseitig wird: Produktnutzer/innen können heute Rückmeldungen zu Verstehensschwierigkeiten bei der Rezeption anleitender Texte und der Bedienung von Produkten geben. Diese Rückmeldungen sollten in Redaktionsprozessen berücksichtigt werden, und es ist Aufgabe der Fachkommunikationswissenschaft, zu untersuchen, inwiefern und inwieweit solche Rückmeldungen zur Kommunikationsoptimierung genutzt werden können.

Wie verlief Ihr Weg zur Promotion? Was hat Sie bestärkt? Wie haben Sie die Unterstützung im Institut und Fachbereich der Universität Hildesheim erlebt?

Von 2007 bis 2014 war ich als praktischer Fachkommunikator tätig, größtenteils in leitender Position. In dieser Zeit erhielt ich einen tiefen Einblick ins Berufsfeld, der natürlich von meinem vorherigen akademischen Weg geprägt war: Ich verfüge sowohl über ein (naturwissenschaftliches) Diplom (FH) in Elektrotechnik, als auch über einen (geisteswissenschaftlichen) Abschluss als Master of Arts in Technical Communication. Mein Promotionsthema entstand durch die Beobachtung, dass erfahrene Fachkommunikator/inn/en eine über die Jahre optimierte Notizennahme praktizierten, während Berufseinsteiger/innen diese Kompetenz erst im Berufsfeld und durch die Begleitung von erfahrenen Fachkommunikator/inn/en entwickeln mussten. Ich fragte mich, auch bei der Betrachtung meiner eigenen Recherchenotizen, was eigentlich eine gut verständliche und für Anschlusshandlungen geeignete Notiz ausmacht. Lange Zeit trug ich diese Frage und den Wunsch, sie aus wissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten, in mir, ohne jedoch die Zeit zu finden, ihr nachzugehen. Als sich die Chance bot, in die akademische Welt zurückzukehren, ergriff ich sie. Das Einfinden in die neue Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vollzeit in einem Studiengang, der sich damals im Umbruch befand, führte zunächst dazu, dass mir die erhofften zeitlichen Freiräume für mein Promotionsvorhaben nicht zur Verfügung standen. Von der ersten Kontaktaufnahme mit meinen Doktorvater Prof. Dr. Klaus Schubert bis zur Einreichung meines ersten Exposéentwurfs vergingen weitere zwei Jahre. In der eigentlichen Erstellungsphase (Februar 2016 bis Oktober 2018) fühlte ich mich, und hier greife ich eine Aussage aus meiner Antwort auf Ihre erste Frage wieder auf, akademisch wie persönlich sehr gut von meinen Doktoreltern begleitet. Ein wesentliches Element waren hierbei die regelmäßig stattfindenden und von Prof. Dr. Schubert mit Dr. Franziska Heidrich organisierten Doktorand/inn/enseminare, die von Prof. Dr. Nathalie Mälzer gemeinsam mit Prof. Dr. Schubert initiierten Promotionswerkstätten und die Forschungstagung „Fachkommunikation – die wissenschaftliche Sicht“. Mit Letzterer bieten Prof. Dr. Klaus Schubert und Dr. Franziska Heidrich Doktorand/inn/en die Möglichkeit, im Wechsel mit erfahrenen Wissenschaftler/inne/n vorzutragen. Damit eröffnet sich einerseits die Möglichkeit, das eigene Forschungsprojekt in einem geschützten Rahmen einem ersten akademischen Härtetest zu unterziehen. Andererseits erfahren angehende Wissenschaftler/innen, mit welchen Themen sich etablierte(re) Kolleg/inn/en beschäftigen und können erste Kontakte knüpfen.  

Hier sollte ich vielleicht ergänzen, dass ich zum Kreis der externen Doktorand/inn/en gehöre. Ich lebe und arbeite im Rhein-Main-Gebiet. Meine Dissertation habe ich, und das spiegelt wohl die Situation vieler Externer wider, neben einer Vollzeitstelle erstellt. Für mich hatten die zuvor genannten Veranstaltungen damit eine weitere, wichtige Funktion: die Möglichkeit, mich mit Menschen auszutauschen und zu vernetzen, die in Deutschland und darüber hinaus an Promotionsvorhaben aus dem Bereich der Fachkommunikationswissenschaft arbeiten. Viele von ihnen befanden sich in ähnlichen Lebenssituationen. Dies zu wissen und zu erleben, dass sie vor vergleichbaren Herausforderungen stehen, ist hilfreich, wenn die eigene Motivation einmal weniger stark ausgeprägt ist.

Was raten Sie anderen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die promovieren möchten?

Selbstverständlich hat jedes Promotionsvorhaben und damit verbunden die Kommunikation zwischen Doktorand/in und Doktoreltern individuelle Züge. Aus meiner Perspektive kann ich angehenden Wissenschaftler/inne/n nur raten, regelmäßig den Austausch mit den Doktoreltern und anderen Doktorand/inn/en zu suchen. Hierzu gehört im Fach Internationale Fachkommunikation an der Universität Hildesheim eine Bestandsaufnahme und häufig auch Präsentation des eigenen Forschungsprojektes in seiner aktuellen Entwicklungsphase. Jener Austausch zwingt zum Einnehmen einer Metaperspektive, die im Schreibprozess teils abhandenkommen kann. Ich persönlich habe mich anschließend stets gestärkt und (erneut) motiviert gefühlt.

Was macht Ihnen an der Wissenschaft Freude, was treibt Sie an?

Einerseits ist es das eigene wissenschaftliche Arbeiten. Jenes ist geprägt vom Blick auf das Dahinterliegende, von dem Drang, etwas über das Wesen der Dinge der Wirklichkeit zu erfahren. Andererseits ist es das Bewusstsein, Teil einer recht jungen Disziplin zu sein, von deren bisherigem Erkenntnisgewinn ich profitiere und zu dem ich selbst beitragen möchte. Last but not least sind es die Student/inn/en im Masterstudiengang Technische Redaktion und multimediale Dokumentation (trmd) an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen, die mich antreiben. Sie auf ihrem akademischen Weg und bei ihrer späteren Entwicklung in der praktischen Fachkommunikation zu begleiten, bereitet mir große Freude. Gerade in der letzten Woche hatte ich Gelegenheit zum Austausch mit Alumnae und Alumni des Studiengangs auf der Jahrestagung des Fachverbandes tekom e. V. in Stuttgart. Es ist schön, zu sehen, dass sie sich ihrer Alma Mater weiterhin verbunden sehen.

Ein Blick auf die Arbeit als Professor: Was haben Sie als Nächstes in der Forschung vor?

Ich forsche in der Disziplin Fachkommunikationswissenschaft. Meine Forschungsinteressen liegen im Bereich der sprachlichen und über das Sprachliche hinausgehenden Kommunikationsoptimierung. In meinen Hochschulveranstaltungen betrachte ich das Berufsfeld der praktischen Fachkommunikation aus der Perspektive der Fachkommunikationswissenschaft. Thematischer Schwerpunkt ist hierbei die Aufbereitung und Gestaltung von Text-, Bild- und Toninformationen. Letztere unterliegt seit längerem einem Wandel hin zu digitalen multimodalen Informationsprodukten. Aktuell gilt es, mich zunächst in meiner neuen Position einzufinden, Veranstaltungen vor- und nachzubereiten und Student/inn/en in ihren Masterarbeiten zu begleiten. Sobald es meine Zeit erlaubt, möchte ich mich näher mit den Themen Sprachsynthese und Sprachassistenzsysteme auseinandersetzen. 

In Ihrer Forschung befassen Sie sich mit der Arbeit von technischen Redakteurinnen und technischen Redakteuren. An der Universität Hildesheim können sich Studentinnen und Studenten im Masterstudium „Internationale Fachkommunikation – Sprachen und Technik“ auf das Übersetzen und Erstellen technischer Texte im internationalen Kontext spezialisieren. Für alle, die das Interview gerade lesen und das Berufsbild nicht kennen: Welche Herausforderungen bewältigen technische Redakteure?

Im Studiengang Technische Redaktion und multimediale Dokumentation an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen behandeln wir primär die einsprachige Fachkommunikation. In ihrer praktischen Realisierung besteht die Herausforderung für technische Redakteur/inn/e/n darin, zielgruppengerechte und medienadäquate Informationsprodukte zu erstellen, die sachlich, informativ und oft instruktiv sind. Hierbei muss es ihnen gelingen, Ausgangsdokumente (beispielsweise Dokumente aus Entwicklungsabteilungen) mit einem hohen Fachsprachlichkeitsgrad und einer starken Produktorientierung in Zieldokumente mit einem angemessenen Fachsprachlichkeitsniveau und einer Benutzer/innen/orientierung zu transformieren.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Zur Person:

Prof. Dr. phil Thorsten Dick, geboren in Koblenz, wurde in seiner Forschungsarbeit „Fachlich kommunizieren mit sich selbst. Verständlichkeit und Optimierung von Recherchenotizen“ betreut durch Prof. Dr. Klaus Schubert (Erstprüfer) und Prof. Dr. Bettina Kluge (Zweitprüferin) vom Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim.


Der Fachkommunikationswissenschaftler Thorsten Dick wurde in seiner Forschungsarbeit „Fachlich kommunizieren mit sich selbst. Verständlichkeit und Optimierung von Recherchenotizen“ betreut durch Professor Klaus Schubert und Professorin Bettina Kluge vom Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim. Nur neun Monate nach seiner Doktorarbeit wurde er auf eine Professur an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen berufen. Foto: privat