Mehr Demokratie durch neue Medien?

Saturday, 20. September 2014 um 18:05 Uhr

Twitter, whatsapp, Foren und blogs – über das Internet ist Kommunikation nicht mehr an einen Ort gebunden. Jeder kann von unterwegs Informationen empfangen, sich empören und mit anderen zusammenschließen. Etwa 20 Politik- und Kommunikationswissenschaftler diskutieren auf der gemeinsamen Tagung der DVPW-Arbeitskreise „Demokratieforschung“ und „Politik und Kultur“ an der Universität Hildesheim die Bedeutung neuer Medien für Demokratien.

Twitter, facebook und whatsapp, chats, Foren und skype, blogs und mailing – über das Internet ist Kommunikation nicht mehr an einen Ort gebunden, jeder kann von unterwegs Informationen senden und empfangen, sich empören und mit anderen zusammenschließen. Im politischen Prozess bietet das Internet neue Wege, um zu Entscheidungen zu gelangen: Bürger können Petitionen und Gesetzesvorhaben elektronisch einreichen. Der letzte Schritt ist dann die Abstimmung per Klick am Computer zu Hause, entweder bei einer Wahl oder bei einem Referendum, sagt die Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer. Doch diese Möglichkeiten werden weltweit sehr unterschiedlich genutzt. Am weitesten verbreitet sind die Bereitstellung und Nutzung von Information, deutlich weniger setzen Regierungen elektronische Beratungs- und noch seltener elektronische Entscheidungsmechanismen ein, so Kneuer.  Deutschland liegt hier nur im unteren Bereich.

Neue Kommunikationsmedien verändern die heutigen Demokratien – in welcher Weise, darüber diskutieren 20 Fachleute auf der Tagung „Web 2.0 – Demokratie 2.0: Digitale Medien und ihre Implikationen für Prozesse und Qualität von Demokratie“ (Programm). Die Veranstalter Professorin Marianne Kneuer (Universität Hildesheim), Professor Samuel Salzborn und Professor Walter Reese-Schäfer (Universität Göttingen) wollen mit der Tagung deutlich machen, wie soziale Medien demokratische Prozesse beeinflussen.

Welche Antworten aus Sicht der Praxis gegeben werden können, darüber debattieren Marina Weisband, ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei und Autorin des Buches „Wir nennen es Politik“, und Dr. Stephan Eisel, MdB a.D. und seit 2010 Projektleiter für Internet und Demokratie sowie Bürgerbeteiligung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die Wissenschaftler analysieren auf der Tagung das Zusammenspiel von neuen Medien und Demokratien. Welche Rolle spielt das Internet als neuer Raum von Öffentlichkeit? Und wie wird in diesem Raum kommuniziert? Diesen Fragen nähern sich die Referenten mit Beispielen wie dem Plagiats-Wiki Guttenplag (Hagen Schölzel) und stellen Befunde über Diskurse in Online-Öffentlichkeiten vor (Alma Kolleck).

Ob neue Medien zu mehr Partizipation beitragen können und wie Politiker auf die neuen Forderungen der Bürger reagieren, damit beschäftigt sich Aron Buzóngany. Doch welche Wirkung können Online-Verfahren entfalten? Tobias Escher und Ulrich Rosar geben einen Einblick in ein Anwendungsfeld: Sie untersuchen den Einfluss auf die Qualität politischer Entscheidungen im Hochschulbereich. Mathias König und Wolfgang König zeigen am Beispiel der SPD, welche Bedeutung Online-Verfahren für Mitgliederentscheide in Parteien haben und wie während der Abstimmung zur „Groko“ getwittert wurde – SPD-Mitglieder konnten im Herbst 2013 ihr Votum über den Koalitionsvertrag abgeben. Auf der Tagung geht es auch um konkrete Methoden: Wie Online-Kommunikation fundiert analysiert werden kann, zeigt der Hildesheimer Informationswissenschaftler Joachim Griesbaum.

Trägt das Internet zu mehr Transparenz bei? Am Beispiel von Rechtsextremismus leuchtet Samuel Salzborn die „dunkle Seite des WWW“ aus. Wer tummelt sich im Netz, wer sind die Akteure? Um das herauszufinden, steigen Wissenschaftler ein in die sozialen Medien. So untersuchen Marianne Kneuer und Saskia Richter an der Hildesheimer Universität, die facebook- und twitter-Kommunikation während Empörungsbewegungen seit 2011, etwa der Occupy-Bewegung in Deutschland, Großbritannien und den USA. Dafür haben sie bisher über 1200 posts gesammelt und analysiert. Ergebnisse stellen sie Anfang November in Berlin vor. So wird beispielsweise deutlich, dass über soziale Medien Symbole und Emotionen vermittelt werden, etwa Empörung über Banken und Verunsicherung mit dem politischen System und seinen Reaktionen auf die Finanzkrise. Hans Asenbaum zeigt anhand von Akteuren wie Anonymous, wie diese Gruppen im Internet auftreten und soziale Medien als Kommunikationskanäle nutzen.

Abschließend widmet sich die Tagung aber auch autokratischen Machthabern und der Frage wie diese mit neuen Medien in Momenten des politischen Umbruchs umgehen. Hanan Badr aus Kairo und Thomas Demmelhuber stellen eine Fallstudie zu Ägypten vor.

Die Tagung ist eine Veranstaltung der Arbeitskreise „Demokratieforschung“ und „Politik und Kultur“ der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW). Sie wird von den Sprechern der Arbeitskreise Marianne Kneuer („Demokratieforschung“) und Samuel Salzborn („Politik und Kultur“) und Walter Reese-Schäfer in Kooperation mit der Universität Göttingen veranstaltet. Die Veranstaltung findet am 23. und 24. September 2014 an der Universität Hildesheim statt. Die Tagung ist nicht öffentlich und richtet sich an Fachvertreter. Tagungsort ist der Bühler Campus der Stiftung Universität Hildesheim. Eine Teilnahme ist nur nach vorheriger Anmeldung möglich (bolling@uni-hildesheim.de)!


Unterwegs und vernetzt: Ob neue Medien zu mehr Teilhabe beitragen können, wie Politiker auf Forderungen der Bürger reagieren und wer sich im Netz tummelt, das untersucht eine Forschergruppe an der Universität Hildesheim. Foto: flickr.com/photos/timothykrause/, creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Unterwegs und vernetzt: Ob neue Medien zu mehr Teilhabe beitragen können, wie Politiker auf Forderungen der Bürger reagieren und wer sich im Netz tummelt, das untersucht eine Forschergruppe an der Universität Hildesheim. Foto: flickr.com/photos/timothykrause, creativecommons.org 2.0

Unterwegs und vernetzt: Ob neue Medien zu mehr Teilhabe beitragen können, wie Politiker auf Forderungen der Bürger reagieren und wer sich im Netz tummelt, das untersucht eine Forschergruppe an der Universität Hildesheim. Foto: flickr.com/photos/timothykrause, creativecommons 2.0