EU-Projekt: Wie gehen wir mit Vielfalt und Konflikten um?

Sunday, 18. September 2016 um 08:30 Uhr

Seit vier Jahren untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem EU-Projekt, wie Menschen in ihrer Vielfalt zurechtkommen, wie sie mit Unterschieden und Konflikten umgehen. Ein Team um Professorin Olga Graumann arbeitet mit Forschern aus Russland, der Ukraine und Weißrussland zusammen.

Hildesheimer Erkenntnisse in der Bildungsforschung kommen in der Ukraine, Weißrussland und Russland an: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Hildesheim, Bremen, Wien, Helsinki und Rom arbeiten gemeinsam mit Hochschulen aus Russland, der Ukraine und Weißrussland an Wegen, wie „Diversity“ in der Aus- und Weiterbildung von Pädagogen und Bildungsmanagern in den östlichen Ländern berücksichtigt werden kann. Auch eine Schule in St. Petersburg und ein Kinderheim in Kiew gehören zu den Projektpartnern.

Zunächst haben Soziologen in den Städten der beteiligten Hochschulen erfasst, was den Eltern – etwa in St. Petersburg, Welikij Nowgorod, Tjumen, Kiew, Minsk, Witebsk, Berdjansk und Khmelnitzkij – wichtig ist. Was erhoffen sie sich in Bezug auf Umgang mit Vielfalt? Dann wurden Schulungsinhalte für Sozialpädagogen, Erzieher und Lehrer erarbeitet. Auch Mitarbeiter aus Behörden (Kommune, Stadt, Sozialamt, Migrationsdienst u.a.) profitieren von der Weiterbildung. Außerdem wurden Studentinnen und Studenten aus den Bereichen Lehramt, Pädagogik, Sozialpädagogik sowie Doktoranden erreicht. „Wir beraten die Hochschulen und begleiten sie dabei, ihre Curricula in den Studiengängen zu modernisieren. Wie können Lehrer mit physischen Beeinträchtigungen, Sprachproblemen, mit kultureller und sozialer Vielfalt, mit Hochbegabung professionell umgehen?“, erläutert Projektleiterin Olga Graumann. Man wolle in der „länderübergreifenden Vernetzung voneinander lernen“, sagt die emeritierte Hildesheimer Professorin. Gemeinsam wurden Lehrbücher zu Vielfalt in der Pädagogik und im Bildungsmanagement verfasst.

Das Projekt „Aus- und Weiterbildung für Pädagogen und Bildungsmanager im Bereich Diversity" wird seit 2013 bis Ende 2016 mit rund 1,2 Millionen Euro von der Europäischen Kommission gefördert, über 900 Anträge wurden eingereicht – nur 13 Anträge von deutschen Hochschulen wurden bewilligt.

Hildesheim wurde ausgewählt, da die Universität umfassende Erfahrungen im Umgang mit Vielfalt nachweisen kann. So gehen Lehramtsstudierende zum Beispiel in Schulen in Hildesheim und Hannover und begleiten Lernprozesse von Kindern unterschiedlicher Herkunftssprachen. Die Studentinnen und Studenten sammeln dabei wertvolle praxisnahe Erfahrungen im Umgang mit Mehrsprachigkeit, Diagnostik und im Kontakt zu Eltern.

Um Diskriminierungen von Menschen abzubauen, um eine möglichst chancengerechte Entwicklung aller zu ermöglichen, könne man gerade im Bildungsbereich ansetzen, so die Erziehungswissenschaftlerin. „Die Pädagogik und Bildungspolitik sind aufgerufen, den Bereich Diversity in den Mittelpunkt ihrer Zielsetzung zu stellen.“ Die Folgekosten gescheiterter Biografien seien auf Dauer höher als die Investitionen in eine gute Erziehung und Bildung, sagt Graumann.

Konferenz: Vielfalt und Demokratie

Ergebnisse aus der Forschung diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der internationalen Konferenz „Vielfalt und Demokratie" an der Universität Hildesheim.

Vom 13. bis 16. September 2016 kommen Wissenschaftler zur internationalen Konferenz „Vielfalt und Demokratie – Identitätssuche in unübersichtlichen Zeiten" an der Universität Hildesheim zusammen. Migration ist keineswegs eine neue Zeiterscheinung, so die Konferenzleiterin Professorin Olga Graumann. In den letzten Jahren zeigt sich, dass sich die Vielfalt an Ethnien durch Kriege, Vertreibungen und wirtschaftliche Not in vielen Ländern in einem bis dahin nicht gekannten Maße erhöht und Sorge und Unsicherheit ausgelöst hat, sagt die Erziehungswissenschaftlerin der Uni Hildesheim.

Auf der Hildesheimer Konferenz tauschen sich etwa 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Pädagogik, Soziologie und Psychologie über Diversity und Vielfalt, Bildung, Demokratie und Identität aus.

In Hauptvorträgen setzen sie sich mit aktuellen Fragen in den  Themenfeldern „Kulturelle Vielfalt als Herausforderung für die Demokratie: Was kann Bildung leisten?", „Dialog von Kulturen und Identität", „Diversity als Herausforderung in Bildungsprozessen und für Bildungsmanagement" auseinander. Den Eröffnungsvortrag über Vielfalt und Demokratie hält Professorin Rita Süßmuth, Bundestagspräsidentin Deutschland a.D. Anschließend spricht Hannes Schammann, Juniorprofessor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim, zum Thema „Der Zweifel ist systemrelevant. Debatten um Migration und Vielfalt in demokratischen Gesellschaften". Weitere Vorträge halten Wissenschaftler aus Welikij Nowgorod, Antalya und Smolensk.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion „Vielfalt und Demokratie – Was kann Bildung beitragen?“ diskutieren Professor Wolfgang-Uwe Friedrich (Präsident der Universität Hildesheim, Deutschland), Professorin Olga Gurenko (Universität Berdjansk, Ukraine), Professorin Elke Hildebrandt (Pädagogische Hochschule Nordwest-Schweiz, Schweiz), Professor Evgenij Kodin (Rektor der Universität Smolensk, Russland), Professor Andrej Manastyrny (Rektor der Akademie für Weiterbildung Minsk, Weißrussland) und Professorin Ilze Mikelsone (Universität Liepaja, Lettland).

Der Kongress ist eine gemeinsame Veranstaltung der International Academy for the Humanization of Education (IAHE), und des EU-Projektes „Aus- und Weiterbildung für Pädagogen und Bildungsmanager im Bereich Diversity". An der Konferenz nehmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland, Italien, Kanada, Lettland, Norwegen, Österreich, Russland, Schweiz, Türkei, Ukraine, Weißrussland teil. Mit der Tagung soll der Wissenschaftstransfer im Bildungsbereich zwischen europäischen (West-, Mittel- und Osteuropa) und außereuropäischen Ländern gestärkt werden. Die IAHE wurde vor 20 Jahren gegründet und hat 200 Mitglieder aus 20 Ländern.

Die Konferenz ist öffentlich. Wer Fragen zur Konferenz hat, kann sich an Olga Pletenets (pletenets.olga@gmail.com) oder Prof. Dr. Olga Graumann (jaugrau@uni-hildesheim.de) wenden.

Medienkontakt: Pressestelle der Universität Hildesheim (Isa Lange, presse@uni-hildesheim.de, 05121.883-90100)


Trotz politischer Konflikte in ihren Heimatländern sitzen sie gemeinsam an einem Tisch an der Universität Hildesheim: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine, Weißrussland und Russland, darunter viele Doktoranden, mit der Erziehungswissenschaftlerin Professorin Olga Graumann. „Je mehr Verbindungen wir stärken, desto mehr Vorurteile können wir abbauen. Wissenschaftsbeziehungen ändern die Politik nicht, aber wir schaffen Begegnungen“, sagt Graumann. Seit 2013 erarbeiten sie gemeinsam Schulungsinhalte für Sozialpädagogen, Erzieher und Lehrer, nun tauschen sie ihr Wissen auf einer internationalen Konferenz aus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Trotz politischer Konflikte in ihren Heimatländern sitzen sie gemeinsam an einem Tisch an der Universität Hildesheim: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine, Weißrussland und Russland, darunter viele Doktoranden, mit der Erziehungswissenschaftlerin Professorin Olga Graumann. „Je mehr Verbindungen wir stärken, desto mehr Vorurteile können wir abbauen. Wissenschaftsbeziehungen ändern die Politik nicht, aber wir schaffen Begegnungen“, sagt Graumann. Seit 2013 erarbeiten sie gemeinsam Schulungsinhalte für Sozialpädagogen, Erzieher und Lehrer, nun tauschen sie ihr Wissen auf einer internationalen Konferenz aus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim