Breitenkultur: Ein Meer an Taschenlampen ergänzt Leuchttürme

Friday, 06. July 2012 um 14:05 Uhr

Die Kultur von allen stand in dieser Woche auf dem Programm eines Gesprächs mit kulturpolitischen Sprechern der Fraktionen des Niedersächsischen Landtags, das den Abschluss des Seminars „Breitenkultur: Mapping, Branding, Networking“ von Kulturpolitikprofessor Dr. Wolfgang Schneider bildete.

Die Kulturwissenschaftsstudierenden der Universität Hildesheim hatten Feldforschung betrieben und eröffneten die Veranstaltung mit positiven Beispielen für Breitenkultur. Die Spannbreite reichte von traditionellen Schützenvereinen über moderne Musikzüge und anspruchsvolles Kinoprogramm bis hin zu einem herausragenden Beispiel für integrative Arbeit mit Behinderten. Student Michael Kranixfeld berichtet:

Kultur droht der Haushaltskonsolidierung zum Opfer zu fallen

Almuth von Below-Neufeldt (FDP) betonte zu Beginn, dass Breitenkultur zwar selbst gemacht und selbst getragen sei, aber in Öffentlichkeit und Politik Unterstützung brauche. Ihre Kollegin Dorothée Prüssner (CDU) berichtete jedoch aus ihrer kommunalen Tätigkeit, dass viele Politiker das Bewusstsein für den Wert von Kultur noch nicht ganz verinnerlicht hätten. Unter dem Druck der Haushaltskonsolidierungen sei es zu leicht, die freiwillige Aufgabe der Kulturförderung als Erste zu streichen. Prüssner regte eine gesetzliche Grundlage an, die es Kommunen ermöglichen soll, bestimmte kulturelle Leistungen von freiwilligen Aufgaben zu verpflichtenden zu machen. Die Abgeordnete warb jedoch auch um Sensibilität dafür, welche Herausforderung es für die lokalen Politiker sei, bei dieser Debatte eindeutige Prioritäten zu finden.

Hauptamtliche sollen die Ehrenamtlichen begleiten

Der Bericht eines Studierenden über eine Kommune, die ihre Stelle für Kultur ganz gestrichen habe und die engagierten Vereine mit ihren teilweise sehr komplexen Aufgaben alleine lasse, veranlasste Victor Perli (DIE LINKE) zu der Aussage, dass man Haushalte nicht auf Kosten der Kultur sanieren könne. „Wir brauchen eine Gemeindefinanzreform und nicht ein als Zukunftsvertrag deklariertes Kürzungsabkommen.“ Gerade in Fragen der Finanzakquise, des Netzwerkens oder der Werbung brauche Breitenkultur die Begleitung durch hauptamtliche Kräfte. Dorothée Prüssner verwies hier auf die erfolgreiche Arbeit der Soziokulturellen Zentren, die vor Ort als Ansprechpartner und Vernetzer von Breitenkultur agieren könnten. Neben diesen Institutionen spielten die Landschaften eine wichtige Rolle bei der dezentralen Vergabe von Fördermitteln für bestimmte Projekte. Daniela Behrens von der SPD gab allerdings zu bedenken, dass Projektförderung nur dann sinnvoll sei, wenn sich daraus auch eine nachhaltige Entwicklung ergebe, die man später überall umsetzen könne. Sie forderte zusätzlich eine höhere institutionelle Förderung in Breiten- und Soziokultur. „Wir brauchen Menschen, die ein Netzwerk am Leben erhalten.“

Dass es bei der Förderung von Breitenkultur nicht ausschließlich auf finanzielle Aspekte ankommt, betone Dorothée Prüssner zum Schluss: Eine gute Anerkennungs- und Wertschätzungskultur für die Ehrenamtlichen in der Breitenkultur erhöhe die Bereitschaft, etwas für die Gesellschaft zu leisten. „Gute Kulturpolitik ist nicht in erster Linie eines Frage des Geldes, sondern eine Frage der Einbindung und der Motivation der Akteure“, bestätigte auch Daniela Behrens.

Eine Chance für die Integration und Kulturelle Bildung

Einen großen Vorteil der Breitenkultur gegenüber den großen Institutionen sah Almuth von Below-Neufeldt besonders in der Frage der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Breitenkultur lebe vom Mitmachen und schaffe durch kulturelle Teilhabe Zugang zur Gesellschaft. Daniela Behrens machte hierbei besonders auf die künstlerische Arbeit der verschiedenen Bildungseinrichtungen aufmerksam, die mit ihrem Programm Menschen aus verschiedensten Milieus zusammen bringen würden. Von den Musikgruppen mit ihrer intensiven Jugendarbeit bis zu theaterpädagogischen Angeboten ergänzt Breitenkultur die Leuchttürme um ein Meer aus Taschenlampen, wie es ein Mann aus dem Publikum formulierte.

Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim, beendete die Diskussion mit einem Hinweis auf die kommende Landtagswahl. In Hildesheim, so betonte er, werde man die Wahlprogramme sehr interessiert darauf hin lesen, was die Parteien aus ihrer Macht auf Zeit für die Breitenkultur machen.

Autor: Michael Kranixfeld studiert im sechsten Semester Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis. Er leitete gemeinsam mit weiteren Studierenden die studentischen Festivals State of the Art+ und transeuropa2012. Im Rahmen seines Studienschwerpunkts Kulturpolitik beschäftigt ich sich vorrangig mit dem ländlichen Raum und der Reform der Theaterlandschaft.


Daniela Behrens (SPD), Victor Perli (Die Linke), Dorothée Prüssner (CDU) und Almuth von Below-Neufeldt (FDP) diskutieren mit Prof. Dr. Wolfgang Schneider und Kulturwissenschaftsstudierenden an der Universität Hildesheim über Breitenkultur im Flächenland Niedersachsen.

Daniela Behrens (SPD), Victor Perli (Die Linke), Dorothée Prüssner (CDU) und Almuth von Below-Neufeldt (FDP) diskutieren mit Prof. Dr. Wolfgang Schneider und Kulturwissenschaftsstudierenden an der Universität Hildesheim über Breitenkultur im Flächenland Niedersachsen.

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