Ambientones

Ambient 1: Music for Airports

Alan Fabian

1978 hat Brian Eno (*1948) mit seiner LP Ambient 1: Music for Airports, ›inspiriert‹ von Lärm am Kölner Flughafen, ein Musikgenre begründet dessen  Name dem Titel dieser Schallplatte entspringt: Ambient. Mit heutigen Worten gesagt, ›Samples‹, bestehend aus einzelnen Tönen u. Tonfolgen u.a. am Klavier eingespielt auf Tonband, formieren dieses ›musikalische Ambiente für Flughäfen‹ von Eno. Die Töne-/Tonfolgen-Samples sind so beschaffen, dass, egal wann diese zufällig zusammen erklingen, stets musikalische Harmonien entstehen, die kein tonales Zentrum ansteuern, sondern einfach nur so ›vor sich hin fliegen‹.

ShakeSampler-Musikspiel Ambientones 1

Download (*.pdf): Spielanleitung zu Ambientones 1

Meinem ShakeSampler-Musikspiel Ambientones 1 habe ich entsprechend 6 verschiedene Tonfolgen vorgegeben, die stets miteinander in Harmonie erklingen: in der C-Diatonik ein aus Tonvorräten dreier Terzschichtungen (mit 7, 9, 11) auf den Stufen IV., V. und VI., aufgeteilt in eine 3er-Tonfolge in der ›linken Hand‹ (für den ShakeSampler A) und einer 2 mal 3er-Tonfolge in der ›rechten Hand‹ (für den ShakeSampler B). Jede der 3 diatonischen Stufen ist einem Orientierungsindex der ShakeSampler-App (links = 1, vorne = 2, rechts = 3) zugeordnet.
In diesem Spiel gibt es nur eine Regel, nämlich ohne vorherige Vereinbarungen miteinander zu ›musizieren‹ und dabei gemeinsam während des Spielens zu einem Ende zu finden. Ziel ist es, einen musikalischen ›Flow‹ zu erleben.

Dieses ShakeSampler-Spiel habe ich in meinem Seminar mit dem Titel Shake it! im Wintersemester 2019/20 mit den SeminarteilnehmerInnen ›versucht‹; im Beispiel-Video stehe ich einem Seminarteilnehmer gegenüber, wir halten jeder ein iPhone 4s sowie einen damit verkabelten Lautsprecher in den Händen.
Was alle, die diesen Versuch mitgemacht haben, erlebt haben, ist die Unmittelbarkeit eines ›sich miteinander in einem in sich stark geschlossenen sozialen Setting Vorfindens‹: Wer fängt wann an wie zu agieren, wie re-agiert der Mitspieler gegenüber darauf, wer gibt wann welchen Ton an, wer versucht wann zu entscheiden einen Schluss setzen zu wollen und wie wird diese Entscheidung vermittelt? In diesem Musikspielgefüge ist Verantwortung und Mitverantwortung für den entstehenden Gesamtklang zu erleben, ein musikmacherisches Anschubsen, Folgen, Führen und - vor Allem - Aufeinander-Sehen und -Hören. Besonders vordergründig zu erleben ist im Spiel der eigene Wille zur Synchronisation: die Tonfolgen sind im 60 M.M.-Metrum getaktet; die ›musikalische‹ Herausforderung besteht darin, die eigenen Sample-Einsätze sowohl mit den eigenen als auch mit den Samples des Mitspielers zu synchronisieren. Und mit eben dieser Synchronisation können sich kleine Erfolgserlebnisse eingestellen, wie z.B. eine besonders genaue Synchronisation bei einem gemeinsam geführten Einsatz (›Shake‹) oder einer sich in den musikalischen Klangvorgang einfügenden, vielleicht sogar in diesem Spieldurchgang bis dahin unerhörten Harmonie, die sich im miteinander synchronisierten Zusammenspiel ergibt. Musiksoziale Gemeinschaftlichkeit entsteht hier mittels Synchronisation

Die ShakeSampler-App reduziert den musikalischen Handlungspielraum auf einen einzigen musikalischen Parameter, der in der Entscheidung für den Einsatz einer Tonfolge besteht. Der gesamte Klangerzeugungsvorgang (mit all den nötigen musikinstrumentalen Handlungsfertigkeiten) ist ausgesetzt. Einerseits fallen damit auch alle Möglichkeiten musikalischen Ausgestaltens weg, andererseits wird in dieser Reduktion vordergründig, dass es beim Musizieren offensichtlich vor Allem darum geht, sich miteinander zu synchronisieren (was in Bezug auf Musikalisches auch immer mit ›zeitlicher Synchronisation‹ gemeint sein kann), so dass ein Gesamtklang entsteht, für den alle Beteiligten verantwortlich sind. Hier: sich selbst und dem Gegenüber zuzuhören, um sich so für den nächsten Shake-Einsatz einer Tonfolge zu entscheiden oder eben nicht (ungefähr in der Mitte des Videos ist zu hören, wie ich aufgrund einer Entscheidungsunsicherheit meinen Shake nicht genau mit den klingenden Tonfolgen synchronisiere, ein kurzer Aussetzer im musikalischen Flow ist die Folge). Dadurch, dass sich die Spieler gegenüberstehen, können sie sehen, auf welchen Orientierungsindex sie ihr Smartphone bewegen, d.h. es ist - im Wortsinne - in diesem Agieren ›abzusehen‹, für welche Tonfolgenharmonie sich das Gegenüber entscheiden wird; entsprechend kann der Spieler darauf mit einem Mit- oder Gegenspielen reagieren. 

Das Ambientones-Musikspiel mit der besagten Regel macht die Grundfunktion musikalischer ›Improvisation‹ erlebbar; eine Variante könnte sein, genaue Regeln vorzugeben für die Abfolge der ShakeSamples, musikalische ›Komposition‹ und ›Aufführung‹ ist dann erlebbar: hier können die Spieler verschiedene zeitgeschichtliche Kompositions-/Musikproduktionsstrategien versuchen (Aleatorik, Serialität, Stochastik, Loop, Delay, Sequencing etc.). Auch mehr als 2 Spieler können weiterführend mehr Orientierungsindices (bis zu 12) auch mit ganz anderen Sound-Samples aus verschiedensten Musikgenres von klassischer Musik über experimentelle Musik bis hin zu Electronic Dance Music nutzen.

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