Anerkennung und Aufnahme der Übersetzer(innen) und Dolmetscher(innen) für Leichte Sprache in den Berufsverbänden

Friday, 03. December 2021 um 12:10 Uhr

Catherine Stumpp vom BDÜ Nord

Die „Leichte Sprache“ ist eine Besonderheit im Bereich der Translation. Wie definiert man sie? Handelt es sich in diesem Kontext überhaupt um eine „Übersetzung“? Kann nicht jede(r) Übersetzer(in) sowieso problemlos Texte in Leichter Sprache verfassen, wenn er oder sie dies möchte? Warum sollte es dafür eine eigene Definition, eigene Ausbildungswege geben?

Die Wege zur Eingliederung der Übersetzer(innen) und Dolmetscher(innen) für Leichte Sprache als anerkannte Berufsgruppe in die große Gemeinde der organisierten Berufsverbände waren und sind durchaus verschlungen. Viele Gespräche gab es zu diesem Punkt mit vielen verschiedenen Akteur(inn)en. Auch der BDÜ als „größter Berufsverband“, oder besser seine Akteur(inn)e(n) auf Funktionärsebene taten sich anfangs schwer damit, denn die Leichte Sprache ist noch recht „jung“ und die meisten von uns haben kaum bis gar keine Berührungspunkte mit der Leichten Sprache und den Kolleg(innen), die auf diesem Gebiet tätig sind. Wie kann man sie von der Notwendigkeit überzeugen die Leichte Sprache in den Sprachenkatalog der BDÜ-Onlinesuche aufzunehmen?

Wie beschreiben wir also Leichte Sprache überhaupt? Wie kann man sie fassen, definieren? Eine eigene Sprache, wie beispielsweise die Gebärdensprache, ist sie eher nicht. Sie erfüllt nicht die auf wissenschaftlicher und beruflicher Ebene allgemein bekannten Kriterien, um als solche anerkannt zu werden. Auch mit der Definition für Dialekte kommen wir nicht wirklich weiter, denn auch hier funktioniert die Anwendung für Leichte Sprache nicht. Es muss eine weitere Kategorie her, mit der eine Einigung aller Beteiligten erreicht werden kann.

Es galt, sich in vielen Gesprächsrunden intensiv fachlich dazu auszutauschen, sich des Themas Leichte Sprache von verschiedenen Standpunkten aus anzunähern. Ich habe mich mit Übersetzer(innen) und auch Dolmetscher(innen) für Leichte Sprache zusammengesetzt und ausgetauscht. Es gab Gespräche mit den Vertreter(inne)n der Hochschulen, die Ausbildungen zur barrierefreien Kommunikation anbieten, zu denen auch die Leichte Sprache zählt. Auch Verbände wie die „Lebenshilfe“ wurden angehört, die ebenfalls Weiterbildungen zum Thema anbieten. Vor allem die Forschungsstelle Leichte Sprache hat fachliche Unterstützung geleistet bezüglich der Regeln, ihrer Anwendung und der erforderlichen Kompetenzen für das neue Berufsbild. All dies um einen Kriterienkatalog zu entwickeln, der dazu beiträgt, dass im Sinne der Barrierefreiheit und des Rechts auf Teilhabe als Ergebnis ein Text in qualitativ hochwertiger Leichter Sprache herauskommt, der richtig, verständlich und angemessen ist.

Der Prozess beim BDÜ begann bereits im Jahr 2016 durch erste Gespräche mit Hochschulen, Forschungsstelle und Behindertenverbänden, bevor wir uns im BDÜ nun in diesem Frühjahr, April 2021 (also fünf Jahre später), mit großer Mehrheit bundesweit und für alle Mitgliedsverbände verbindlich darauf einigen konnten, dass die Leichte Sprache als eigene „Sprachvarietät“ in den Katalog der Sprachen bei der BDÜ-Onlinesuche aufgenommen wird. Alle Personen, die den Zertifikatskurs „Leichte Sprache“ an der Uni Hildesheim absolviert haben, können nun beim BDÜ die Kombination „Deutsch - Leichte Sprache (Deutsch)“ in ihrem Profil eintragen lassen und so von potentiellen Auftraggebern aus Industrie, Wirtschaft und Verwaltung – und natürlich auch von Privatpersonen – gefunden werden. Ein Meilenstein und eine wichtige Entwicklung, denn die Barrierefreiheit und das Recht auf Teilhabe sind ein wichtiges Gut und wir alle wollen dazu beitragen, dass sie ebenso reibungslos wie effizient umgesetzt werden; auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und durch Menschen, die ihre Befähigung über eine fundierte Ausbildung zum Thema nachgewiesen haben. Die Texte in Leichter Sprache sollen jederzeit nachweislich gut lesbar sein und verstanden werden, damit das Recht auf Teilhabe vollumfänglich erfüllt ist.

Mein besonderer persönlicher Dank geht an Frau Prof. Dr. Christiane Maaß (Forschungsstelle Leichte Sprache) und an Frau Prof. Dr. Silvia Hansen-Schirra (TRA&CO Center) für ihre Geduld mir gegenüber (die ich nicht mit Leichter Sprache arbeite) und meinen Nachfragen zum Thema. Aus diesem Grund seien sie auch namentlich genannt. Es ist mir eine Freude, mit den beiden Wissenschaftlerinnen äußerst engagierte und kompetente Unterstützerinnen gefunden zu haben, um die Leichte Sprache meinen Kolleg(inne)n im BDÜ nahebringen zu können. Weiterhin danke ich aber auch allen beruflichen Praktiker(inne)n, mit denen ich über ein Jahr lang zu diesem Thema in vielen Onlinesitzungen zusammengearbeitet habe. Ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen!