Arithmetik an der A7

Wednesday, 19. June 2013 um 18:47 Uhr

Von Kettenbrüchen bis zu Zahlen von spezieller Bauart: Mathematiker von Ulm über Würzburg, Göttingen bis Hannover kommen zum Mathematischen Kolloquium Ende Juni an der Universität Hildesheim zusammen.

Aktuelle Forschungsergebnisse stellen Mathematikerinnen und Mathematiker am 20. und 21. Juni an der Universität Hildesheim in sieben öffentlichen 45-minütigen fachmathematischen Vorträgen vor. Dabei berichten sie über neue Resultate aus den Gebieten Algebra, Zahlentheorie und Funktionentheorie. Diese Disziplinen finden heute Anwendung zum Beispiel in der Physik oder der Kryptographie. Die Wissenschaftler unterstreichen aber, dass mathematische Theoriebildung nicht an der unmittelbaren Anwendbarkeit gemessen werden darf. „Wir kennen Theorien, die über Jahrhunderte als rein theoretisch galten, und auf einmal finden sie nützliche, außermathematische Verwendung. So wurden in den letzten 50 Jahren mit der rasant wachsenden Fülle an elektronischen Datenübertragungen Verschlüsselungsverfahren wie RSA entwickelt, die heute weltweit eingesetzt werden, um Daten sicher zu versenden. Grundlage dafür ist die Zahlentheorie", erklärt Prof. Dr. Jürgen Sander begeistert. Er leitet in Hildesheim die Abteilung Algebra und Zahlentheorie.

Über Kettenbrüche, ein mathematisches Instrument zur möglichst genauen Approximation von reellen Zahlen, mit deren Hilfe Christiaan Huygens bereits im 17. Jahrhundert Planetenmodelle baute, spricht Jörn Steuding. Vagia Vlachou von der Universität Patras in Griechenland referiert über den Birkhoff‘schen Universalitätssatz, bei dem es um Funktionen geht, die eine Fülle anderer Funktionen lokal annähern. Anschaulicher formuliert geht es um Landschaften, in denen jede nur denkbare  Landschaftsform, zum Beispiel der Harz, die Zugspitze oder sogar die gesamte Alpenlandschaft irgendwo zu finden ist. Helmut Maier von der Universität Ulm berichtet über Summen zweier Zahlen, welche eine gewisse arithmetische Bauart besitzen –  wie etwa die Eigenschaft, dass ihnen eine der 10 Dezimalziffern fehlt. Solche Untersuchungen haben in der Zahlentheorie eine sehr lange Tradition, zu ihnen gehört letztlich auch das berühmte, immer noch ungelöste Goldbach’sche Problem, wonach jede gerade Zahl größer als 2 sich durch Addition zweier Primzahlen ergibt.

„Natürlich lässt sich unter Einsatz der modernen elektronischen Medien ein Gutteil wissenschaftlicher Zusammenarbeit über große Distanzen hinweg bewerkstelligen, aber der persönliche Austausch vor Ort ist trotzdem aus arbeitstechnischen bis hin zu psychologischen Gründen für die Forschung unverzichtbar", so Sander.

Jürgen Sander hatte, kurz nach seiner Berufung 2009 nach Hildesheim, gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Jörn Steuding von der Universität Würzburg die Workshop-Reihe entwickelt, um für die Arbeitsgruppen der beiden Fachmathematiker ein Forum zum wissenschaftlichen Austausch zu schaffen. Das hochschulübergreifende Netzwerk weitete sich entlang der Linie zwischen den beiden Städten – Hildesheim und Würzburg verbindet die Bundesautobahn A7, deren Verlauf alten Handelsrouten folgt – bis nach Ulm und Hannover aus. Daher der Name: Arithmetik an der A7.

Arithmetik an der A7, Mathematisches Kolloquium am 20. und 21. Juni 2013 am Samelsonplatz (Programm) an der Universität Hildesheim. Interessierte sind herzlich eingeladen. Die Referenten kommen von den Universitäten Hildesheim, Würzburg, Ulm, Göttingen, Frankfurt am Main und Patras (Griechenland) sowie der FHDW Hannover.


Mathematische Theoriebildung darf nicht an der unmittelbaren Anwendbarkeit gemessen werden. „Wir kennen Theorien, die nach Jahrhunderten nützliche Verwendung finden", sagt Jürgen Sander von der Uni Hildesheim. Foto: photocase/sebastianrink

Mathematische Theoriebildung darf nicht an der unmittelbaren Anwendbarkeit gemessen werden. „Wir kennen Theorien, die nach Jahrhunderten nützliche Verwendung finden", sagt Jürgen Sander von der Uni Hildesheim. Foto: photocase/sebastianrink