Übersetzen: Universität sucht Sprachexperten

Thursday, 13. September 2018 um 11:50 Uhr

Welche Rolle spielen Übersetzungen im Alltag? Im Interview spricht Professorin Bettina Kluge über die Ausbildung von Übersetzerinnen und Übersetzern und über menschliche und maschinelle Übersetzungen. An der Universität Hildesheim bildet sie den Übersetzernachwuchs im Studiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ aus. Zum Studium gehört ein Auslandsaufenthalt.

Eine Bewerbung um einen Studienplatz im Bachelorstudium „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ ist bis zum 21. September 2018 noch möglich. Der Studienbeginn ist im Oktober 2018.

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Interview mit der Übersetzungswissenschaftlerin Prof. Dr. Bettina Kluge

Was leisten Übersetzerinnen und Übersetzer in unserer heutigen Gesellschaft?

Viel. Unser gesamter globalisierter Alltag ist stark durchdrungen von Übersetzungen, selbst wenn es uns häufig gar nicht mehr auffällt: im Kino laufen viele Hollywoodfilme – fast immer als Synchronisation. Im Supermarkt sind viele Produkte importiert, und die Inhaltsangaben und Rezeptvorschläge auf der Verpackung sind häufig Übersetzungen, ebenso die Bedienungsanleitungen unserer Smartphones, Musikanlagen, Autos, Möbel, Kleidung und so weiter. Umgekehrt versteht sich Deutschland als Exportweltmeister, und ebenso wie wir erwarten, dass importierte Produkte mit gut verständlichen deutschsprachigen Bedienungsanleitungen und Produktangaben versehen sind, ist das umgekehrt natürlich auch der Fall.

Wer in Hildesheim „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ studiert, geht bereits nach einem Jahr ins Ausland. Welche Bedeutung hat der Auslandsaufenthalt?

Wenn Studierende aus dem Ausland zurückkommen, dann ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Wir bilden am Sprachencampus in Hildesheim Übersetzerinnen und Übersetzer aus, die zum Beispiel Filme, Literatur und technische Benutzerhandbücher sowie Bedienungsanleitungen übersetzen. Im ersten Studienjahr stehen die Grundlagen auf dem Programm, etwa die beiden Vorlesungen „Einführung in die Sprachwissenschaft“ und „Einführung in die Übersetzungswissenschaft“ sowie erste sprachpraktische Übungen und Methoden des Übersetzens. Nach einem Jahr schicken wir den gesamten Jahrgang ins Ausland. Die Studentinnen und Studenten bekommen ein Gefühl für die Sprache und erweitern ihren Wortschatz im Alltag enorm. Die im Ausland erbrachten Studienleistungen werden anerkannt.

„Nach einem Jahr schicken wir den gesamten Jahrgang ins Ausland“

Mit welchen Partnerhochschulen arbeiten Sie zusammen?

Wir kooperieren mit Partnerhochschulen in Alicante, Madrid, Murcia und Barcelona in Spanien, in Paris, Clermont-Ferrand und Tours in Frankreich sowie in Irland, Finnland, Belgien, in der Türkei, Indien, Kolumbien und Mexiko. Es gibt Ausnahmeregelungen, wenn ein Auslandsaufenthalt nur schwer möglich ist, etwa wenn Studierende schwer krank sind, Kinder erziehen oder Angehörige pflegen müssen.

Wie geht es dann im Bachelorstudium weiter?

Im dritten Studienjahr folgen sprachpraktische Seminare und Spezialisierungen etwa in „Fachübersetzen“, also technische Übersetzungen: Wie übersetzt man Handbücher für Maschinen?. Außerdem können sich Studierende auf „Unternehmenskommunikation“, „Sprache und Medien“ oder auch „community interpreting“ spezialisieren. Letzeres ist die Sprachmittlung in institutionell geprägten Situationen wie die Kommunikation in der Sozialbehörde, der Stadtverwaltung, beim Arzt, wenn es um Beispiel wichtig ist festzustellen, wo genau es schmerzt und ob die Schmerzen stechend oder ausstrahlend sind.

Wen möchten Sie mit dem Studienangebot erreichen?

Der Bachelorstudiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ richtet sich an Studieninteressierte, die neben der Begeisterung für Sprachen, Texte und verschiedene Kulturen auch ein Interesse für neue Technologien und Medien mitbringen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Grundlagen des professionellen Übersetzens. Die Studentinnen und Studenten beschäftigen sich in drei Jahren mit Texten unterschiedlicher Sprachen. Neben der Grundsprache Deutsch wählen sie ein bis zwei weitere Sprachen – Englisch, Französisch oder Spanisch.

Humor und Ironie werden von Übersetzungsprogrammen oft nicht erkannt

Haben Sie Sorge, dass die Arbeit eines Übersetzers eines Tages von Maschinen übernommen wird? Welche Rolle spielen dabei zum Beispiel die sprachliche Varietät, Humor, Ironie und Wortspiele?

Ich glaube, Übersetzerinnen und Übersetzer werden auch in Zukunft weiterhin gebraucht. Zugegeben, auf den ersten Blick wirken maschinelle Übersetzungsprogramme als Bedrohung. Die Resultate werden immer besser und die automatischen Übersetzungen von Bedienungsanleitungen, über die wir früher so gern gelacht haben, werden weniger. Maschinell unterstützte Übersetzung basiert häufig auf großen Textsammlungen, sogenannten Korpora, und die Übersetzungssoftware gibt dann auf der Basis der Wahrscheinlichkeiten Übersetzungsvorschläge heraus.

Wie fällt die Qualität dieser maschinellen Übersetzungen aus?

Die Übersetzungen können stimmen – oder eben auch nicht. Weil die Korpora für das Sprachenpaar Englisch-Deutsch größer sind als die für Spanisch-Deutsch oder auch Chinesisch-Deutsch, sind die Übersetzungen aus und ins Englische meistens besser als für Spanisch oder Chinesisch. Zum Beispiel kann sich englisch „china“ auf das Land beziehen oder auf Porzellan. Menschliche Übersetzer berücksichtigen hier den Kontext, in dem das Wort „china“ auftaucht, inklusive Groß- und Kleinschreibung. Viele Übersetzungsprogramme tun das immer noch nicht. Oder ein anderes Beispiel: spanisch „padre“ heißt zunächst einmal „Vater“ und ist ein Substantiv. Aber im mexikanischen Spanisch kann „padre“ auch ein Adjektiv mit der Bedeutung „toll, super“ sein. Wenn jemand auf Facebook ein Urlaubsfoto mit „Qué padre foto“ kommentiert, heißt das also „Was für ein tolles Bild!“, während die automatische Übersetzung auf Facebook „Was Vater Foto“ daraus macht – ziemlich unverständlich, oder? Auch Humor und Ironie werden von Übersetzungsprogrammen regelmäßig nicht erkannt – gerade deswegen wird die audiovisuelle Übersetzung von Spielfilmen wohl noch lange ein Arbeitsfeld für menschliche Übersetzer sein, wenn auch mit maschineller Unterstützung. Übersetzungsprogramme sind insofern in ähnlicher Weise eine Bedrohung wie vor einigen Jahren die elektronischen Wörterbücher als Bedrohung gesehen wurden – heute sind sie aus dem Übersetzeralltag kaum wegzudenken.

Wo arbeiten Ihre Absolventinnen und Absolventen?

Studentinnen und Studenten, die in Hildesheim „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ studiert haben, sind heute zum Beispiel beim WDR als Untertitlerin und als technische Redakteurin bei der Volkswagen AG tätig oder haben sich als Übersetzerinnen selbständig gemacht. Andere spezialisieren sich in den Hildesheimer Masterstudiengängen „Medientext und Medienübersetzung“, „Sprache und Technik“ oder auch im Masterstudiengang „Barrierefreie Kommunikation“, der im Oktober startet.

Ihre Studentinnen und Studenten arbeiten auch in kleinen mittelständischen Unternehmen – und übersetzen zum Beispiel Frachtkosten, Warengut und Lieferbedingungen.

Auch kleine und mittlere Unternehmen sind in den Weltmarkt eingebunden und auf Übersetzungen angewiesen – sie brauchen mehrsprachige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein ausgeprägtes Sprachgefühl haben, um einiges selbst übersetzen zu können, aber auch wissen müssen, wann sie einen bestimmten Text an eine spezialisierte Agentur abgeben sollten – etwa Abschnitte zu Sicherheitshinweisen und natürlich auch Patentanmeldungen. Häufig übernehmen unsere Absolventinnen und Absolventen in kleinen und mittleren Unternehmen auch Aufgaben in der internen und externen Unternehmenskommunikation, zum Beispiel wenn sie den social media-Auftritt betreuen, egal ob auf Deutsch oder Englisch. In diesen Unternehmen können unsere Absolventinnen und Absolventen also „Allrounder“ sein, das finden einige sehr attraktiv. Zum Beispiel betreut eine Absolventin aus Hildesheim jetzt sämtliche social media-Aktivitäten eines niedersächsischen Craft Beer-Herstellers, der inzwischen auch ins Ausland exportiert.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Kontakt

Wer Fragen zum Studium hat, kann sich an Prof. Dr. Klaus Schubert, Direktor des Instituts für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim wenden (E-Mail klaus.schubert@uni-hildesheim.de) oder an Prof. Dr. Bettina Kluge (klugeb@uni-hildesheim.de).

Eine Bewerbung um einen Bachelorstudienplatz ist bis zum 21.9.2018 möglich:

  • „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ | Bachelor of Arts

    Der Bachelorstudiengang ist für Studentinnen und Studenten interessant, die ein Interesse an Sprachen, Texten und verschiedenen Kulturen haben, aber auch an neuen Technologien und Medien interessiert sind. In Hildesheim erlernen sie die Grundlagen des professionellen Übersetzens, ob Filme, Literatur oder technische Benutzerhandbücher. Zum Studium gehört ein Auslandsaufenthalt. Die Universität kooperiert mit Partnerhochschulen in Spanien, Frankreich, Irland, Finnland, Belgien, in der Türkei, Indien und Mexiko.

  • „Internationales Informationsmanagement“ | Bachelor of Arts

    Studentinnen und Studenten können in diesem Bachelorstudiengang ihr Interesse an Sprachen und modernen Informations- und Kommunikationstechnologien verknüpfen. Beruflich stehen internationale Wege offen, die Studierenden bereiten sich auf eine Karriere in internationalen Unternehmen oder zum Beispiel im Wissensmanagement vor.

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Professorin Bettina Kluge mit Studentinnen der Übersetzungswissenschaft am Bühler-Campus, dem Sprachencampus der Universität Hildesheim. Archivfotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Professorin Bettina Kluge mit Studentinnen der Übersetzungswissenschaft am Bühler-Campus, dem Sprachencampus der Universität Hildesheim. Archivfotos: Isa Lange/Uni Hildesheim