Mehrsprachige Kinder

Tuesday, 10. June 2014 um 17:12 Uhr

Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, berichten über ihre Lebenslagen und Sprachen. Die Fotografin Martina Henschke und die Autorin Tatjana Leichsering holen 37 Grundschulkinder aus der Anonymität der Masse. Die Ausstellung mit Porträts und ausführlichen Interviewpassagen ist bis Ende Juli am Hauptcampus der Uni Hildesheim zu sehen.

Deeqa zählt auf, was sie kann. „Somalisch, Englisch, Deutsch und etwas Französisch, Arabisch und ein bisschen Türkisch." Sie entdeckt in den Sprachen Ähnlichkeiten und beobachtet, wie etwa in ihrer Familie arabische und afrikanische Sprachen gemischt werden. Deeqa ist in Frankfurt geboren und hat dort „von meinen Freundinnen Türkisch gelernt". In Somalia, der Herkunft ihrer Eltern, war sie noch nie, aber die Sprache begleitet ihren Alltag.

Laura ist stolz auf ihr Heimatland, Portugal, in der Algarve. Aufgeschnappte Nachrichten aus Radio und Fernsehen wecken Sehnsucht: „Wenn ich manchmal die Bilder davon im Fernsehen sehe, würd ich da gerne sein." Laura ist in Deutschland geboren und hat in Portugal laufen und sprechen gelernt – erst später folgten Deutsch und Englisch. Heute spricht Lauras Vater mit ihr Portugiesich, Laura antwortet dann auf Deutsch. „Weil ich mich ans Deutschsprechen mehr gewöhnt habe."

Ermal ist in Frankfurt geboren, geht in die erste Klasse. Er macht am allerliebsten Plusaufgaben und guckt Bücher mit seiner Mama an. „Ich hab keine Bücher, aber ich leih mir Dinosaurierbücher aus.“ Dann stapft er alleine in die Bücherei und kommt mit einem Stapel zurück. Mit seinen Eltern spricht Ermal Albanisch, selten Deutsch. Auch Träumen funktioniert in zwei Sprachen. „Ich kann nichts anderes sprechen." 

Das Lieblingsfach von Joanne? Schwimmen und Deutsch! Joanne glaubt, dass sie Deutsch besser als Thai sprechen kann. „Weil ich hier geboren bin.“ Sie war noch nie in Thailand, spricht aber Thailändisch mit ihrer Mama. Die Familie ist weltweit zerstreut, der Austausch manchmal kaum möglich. „Mein Cousin kommt aus England und ich aus Deutschland und wir können nicht miteinander reden."

Diese vier Kinder erzählen, wie sie mehrsprachig aufwachsen, was ihre Lieblingssprache ist, was sie gut und vielleicht noch nicht so gut beherrschen. Im Projekt „Kinder Deutschlands" holen die Fotografin Martina Henschke und die Autorin Tatjana Leichsering 37 Kinder im Grundschulalter aus Frankfurt am Main aus der Anonymität der Masse. Während des bundesweiten Diversity-Tags, in Hildesheim organisiert vom Zentrum für Bildungsintegration, haben sie Einblick in die Recherchen gegeben. Statt abstrakte Begriffe und Statistiken lassen sie Kinder sprechen. Sie äußern sich zu ihrer Herkunft, Sprache, Identität und ihren Lebenswelten. Oft gerät Mehrsprachigkeit zum Hindernis, Sprachschwierigkeiten und kulturelle Unterschiede stehen im Vordergrund. Statt ein Kind zu sein, wird es zum Problemverursacher. Die Ausstellung an der Uni Hildesheim – an der Professorinnen für Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit forschen – lädt ein, Chancen in der Mehrsprachigkeit zu erkennen. Die Jüngsten, über die man so viel diskutiert, kommen zu Wort.

Mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befassen sich in Hildesheim mit der Frage, wie Kinder mehrsprachig aufwachsen und eine zweite Sprache erwerben. An der Universität werden untere anderem Lehrkräfte in einem Masterstudiengang „Deutsch als Zweitsprache / Deutsch als Fremdsprache" für die Sprachförderung in Schulen ausgebildet. Mit interkultureller Lehrerbildung und Schulentwicklung befassen sich Forscher am „Zentrum für Bildungsintegration – Diversität und Demokratie in Migrationsgesellschaften“. Ein Arbeitsschwerpunkt ist, wie Kinder mehrsprachig aufwachsen und Schulen damit umgehen.

Die Ausstellung ist bis Ende Juli 2014 an der Hildesheimer Uni (Hauptcampus, vor dem Audimax) zu sehen und öffentlich und kostenfrei. Wer die Ausstellung nicht vor Ort begehen kann, erhält online erste Einblicke:

„Mein Heimatland finde ich cool", Deutsche Welle, Bildergalerie und Kommentar, 04.06.2014


Mit dem Thema der Ausstellung, wie Kinder mehrsprachig aufwachsen, befassen sich mehrere Forscher an der Universität Hildesheim. Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim

Mit dem Thema der Ausstellung, wie Kinder mehrsprachig aufwachsen, befassen sich mehrere Forscher an der Universität Hildesheim. Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim