Sprache und Gesundheit: Forschung im Bereich Gesundheitskommunikation

Tuesday, 28. January 2020 um 12:45 Uhr

Ein Forschungsteam der Universität Hildesheim gehört zu den Initiatoren des „Netzwerks Gesundheitskommunikation“, in dessen Fokus die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten im deutschsprachigen Raum steht. „Sprache gehört zum Behandlungserfolg“, sagt Professor Stephan Schlickau. Das „Netzwerk Gesundheitskommunikation“ riefen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Hamburg, Zürich und Hildesheim ins Leben, und mittlerweile beteiligen sich daran interdisziplinär Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deuzschland, aber auch darüber hinaus. Wie tragen Patienten ihre Empfindungen und Beschwerden vor, wie erheben Ärzte die Krankheitsgeschichte im Gespräch und wie verändert sich die Kommunikation in der Gesellschaft durch die Digitalisierung, etwa in Online-Foren?

Am 2. und 3. Februar 2020 richtet ein Forschungsteam um die Professorin Kristin Bührig, Professorin Ulla Kleinberger sowie Stephan Schlickau an der Universität Hildesheim die Fachtagung des Netzwerks Gesundheitskommunikation zum Thema „Beschwerden – Anamnese – Befund“ aus.

Auf der disziplinübergreifenden Konferenz diskutieren Expertinnen und Experten aus Medizin, Pflege, Therapie und Sprachwissenschaft über Kommunikation im Gesundheitswesen. Dass Kommunikation für den Gesundheitssektor eine Rolle spielt, zeigen auch aktuelle Entwicklungen, wie der Sprachwissenschaftler Professor Stephan Schlickau erläutert: Kommunikation wird in das Curriculum der 2021 ihren Betrieb aufnehmenden Bielefelder Medizinischen Fakultät aufgenommen und kommunikative Kompetenzen gehen in die neue Approbationsordnung für Zahnärzte ein; deren Rolle in der Pflege ist ohnehin evident, so Schlickau.

Die Vorträge auf der Tagung sind vielfältig, Professor Beatrix Kreß vom Institut für Institut für Interkulturelle Kommunikation spricht über das Thema „‘ich kann Ihnen nur empfehlen, das mit Ihrem Kinderarzt zu besprechen‘: ‚Beruhigendes‘ Handeln in einem Onlineforum für Säuglings- und Kleinkindgesundheit“. Weitere Vorträge sind zum Beispiel: „Kommunikation mit Kindern in der Zahnheilkunde“, „Fachärztliches Erläutern von Befunden schwerer Erkrankungen“, „Die Sprache der Pflege und deren Spezifika“ und „Information und Narration im Online-Ratgebervideo. Die Reihe ‚Skoliose! Und jetzt?‘ bei YouTube“.

Programm der Tagung „Beschwerden – Anamnese – Befund“

Sprache und Gesundheit: Einblicke in die Hildesheimer Forschung im Bereich Gesundheitskommunikation

Wenn Nicola Hoppe in ihrem Büro am Bühler-Campus arbeitet, dann laufen von Zeit zu Zeit Youtube-Videos auf dem Bildschirm. Die Sprachwissenschaftlerin der Universität Hildesheim untersucht anhand des Datenmaterials, „wie Youtube als alternativer Therapieraum zu traditionellen Formaten wie Psychotherapie oder Selbsthilfegruppen funktioniert“. Sie betrachtet Videos, in denen Betroffene über ihre Essstörung sprechen und untersucht: Wie verbalisieren sie die Krankheit, den extremen Hunger? Und wie interagieren sie mit Zuschauern über die Videoplattform? Wie verändert sich die Kommunikation in der Gesellschaft durch die Digitalisierung?

Die Forschung ist Teil des „Netzwerks Gesundheitskommunikation“. Ein Forschungsteam aus Hamburg, Zürich und Hildesheim hat einen auf die deutschsprachigen Länder spezialisierten, aber nicht darauf beschränkten verbund initiiert, der erforscht, wie Patienten ihre Empfindungen und Beschwerden vortragen, wie die Krankheitsgeschichte im Gespräch erhoben und medizinisch-therapeutisch eingeordnet wird. Etwa 70 % der Diagnosen gehen allein auf den patientenseitigen Beschwerdevortrag zurück. Mündliche Berichte von Patienten sind medizinisch relevant für das Entwickeln von Diagnosen und eine erfolgreiche Behandlung.

„Sprache gehört zum Behandlungserfolg, wir arbeiten mit empirischem Material und untersuchen die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten im deutschsprachigen Raum“, sagt Professor Stephan Schlickau. Dazu kooperiert der Sprachwissenschaftler der Universität Hildesheim unter anderem mit Ärztinnen und Ärzten sowie Fachleuten aus Gerontologie, Therapie und Pflege. In welchen Phasen wird aufgeklärt über Behandlungspläne und mögliche Folgen? Das Forschungsteam analysiert zum Beispiel Gespräche in Kliniken über Diabetes. Etwa dieses: Ärztin: „...durch die Kortisonstherapie erhöht. Der Blutzucker liegt bei momentan 230 Milligramm. Normal sacht man zwischen 80 bis 100. Verstanden?“ – Patientin: „Ja, verstanden. Alles verstanden, ja.“ – Ärztin: „So und das heißt, zu Hause sollten Sie eine Diabetsdiät einhalten.“

Das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk untersucht zum Beispiel den Einsatz von Dolmetscher-Apps und mehrsprachigen Fragebögen im Klinikalltag, das Sprechen über die psychische Gesundheit und Krankheit, Ratgebervideos, Erzählungen über Antibiotika und Resistenzen in mehrsprachigen Diskursen oder Versuche von Selbstdiagnosen, die auf Recherchen im Internet beruhen. Durch die digitalen Medien entstehen interessante Fragen, sagt Schlickau. „Inzwischen gibt es Hebammen, die auf Youtube ihre Dienste anbieten, die wiederum maschinell in andere Sprachen übersetzt werden. Das sind Forschungsfragen, um die sich bisher noch niemand gekümmert hat.“


„Sprache gehört zum Behandlungserfolg, wir arbeiten mit empirischem Material und untersuchen die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten im deutschsprachigen Raum“, sagt Professor Stephan Schlickau vom Institut für Interkulturelle Kommunikation der Universität Hildesheim. Foto: Isa Lange