Gründerin des Unternehmens szenenmacher & co

Unternehmenstheater als Schnittschnelle zwischen Kunst und Leben

Stefani Theis gründete 2001 mit ihrem Partner Martin von Hoyningen Huene das Braunschweiger Unternehmen szenenmacher & co. Mithilfe von Unternehmenstheater berät sie Organisationen in Veränderungs- und Lernprozessen. In verschiedenen Großgruppenformaten, kabarettistischen Feedbacks sowie Einzelcoachings werden Themen wie Führungsstil, Kommunikation, Werte und Zusammenarbeit aufgearbeitet. Hoyningen Huene und Theis
konzipieren in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Unternehmen das Format der Veranstaltung, erstellen die Skripte und betreuen den Verlauf, stehen jedoch nicht selbst auf der Bühne, sondern kooperieren hierbei mit professionellen Schauspielern. Eine Ausnahme bilden die kabarettistischen Feedbacks, die von Hoyningen Huene dargestellt werden, oder Formate, bei denen Mitarbeiter miteinbezogen werden. Seit 2009 sind Theis und Hoyningen Huene ebenfalls als Geschäftsführer des LOT-Theaters in Braunschweig tätig.

„Ich habe gedacht: Jetzt geht die große Freiheit los!“

Stefani Theis’ Weg führte nach dem Kulturpädagogik-Studium mit dem Schwerpunkt Kunst in Hildesheim zunächst an die Schauspielschule, die ersten Berufsjahre im Theaterbetrieb stellten sich jedoch als große Enttäuschung dar. Das starre Machtgefüge, die schlechte Bezahlung sowie nicht zuletzt Familienunfreundlichkeit schürten ihre Unzufriedenheit. Hoyningen Huene, damals als Autor am Theater beschäftigt, und Theis beschlossen, sich selbstständig zu machen – „mit den Dingen, die uns als Fähigkeiten an die Hand gegeben waren“: Theis schrieb für Literaturbüros, verfasste Bühnenfassungen zu Romanen und führte eigene kleine literarische Programme auf. Hoyningen Huene trat mit regionalen Comedy Shows sowie im Eventbereich für Unternehmen auf. Dies lief am Anfang sehr erfolgreich und bestätigte das Paar in seiner Unabhängigkeit:

„Man braucht die Institution Theater nicht – man kann Dinge selber auf die Beine stellen, wenn man guckt, wo eine Lücke ist.“

Der Zufall war es allerdings, der Theis und das Unternehmen Volkswagen in Form eines verzweifelten Nachbarn – einer Führungskraft von VW – zusammenbrachte. Eine weitreichende Umstrukturierung erwuchs für Belegschaft und Führungskräfte zu einem undurchdringbaren Konflikt, der „nicht mehr durch Workshops und To-do-Listen zu lösen“ war. Die Idee: ob man nicht mit den Mitteln des Theaters versuchen könnte, die Probleme offen anzusprechen. „Natürlich! Im Theater geht es doch immer darum, den Spiegel vorzuhalten oder Dinge aus der Tabuzone rauszuholen. Schauspieler auf der Bühne dürfen das, das ist wie ein geschützter Raum, was andere nicht dürfen darf man dort, und wenn man davon ausgeht, dass Theater immer eine Verfremdung und künstlerische Umsetzung eines bestimmten Konflikts bedeutet, kann das gehen. Das war das Experiment." Die folgende Vorgehensweise hat sich bis heute bewährt: Durch Recherche und Interviews innerhalb des Unternehmens stellen die szenenmacher zunächst einen Bezug zu dem Problem her. Dies dauert etwa einen Monat. Daraufhin wird der Konflikt mithilfe von Comedy-Anteilen und Musik künstlerisch verdichtet und somit besprechbar gemacht.

„Wenn kein Vertrauen entsteht, kann der Auftrag nicht gelingen.“

Die meisten Aufträge entstehen über Empfehlungen oder über das Internet. Zu Anfang funktionierte das Marketing viel über Selbstakquise, postmailings sowie gezielte Anrufe, wenn sie ein Unternehmen oder eine Branche besonders reizte. Wichtig bei der Arbeit der szenenmacher ist, dass es nie darum geht, Sprachrohr des Auftraggebers zu sein. Vielmehr lautet die Devise, Veränderungsprozessen mit all ihren unvorhersehbaren Wendungen Raum zu geben. „Wenn man Dinge totschweigt, dann fliegen sie einem erst recht um die Ohren.“ Kommt ein Auftrag nicht zustande, weil der Eindruck entsteht, dass man nicht zusammenpasst, ist es wohl auch besser so.

„Von uns hatte keiner Berührungsängste.“

Die Erfahrung, dass Comedyshows für Unternehmen, sollen sie erfolgreich sein, immer auch Probleme am Arbeitsplatz thematisieren müssen, stattete das Paar bereits mit einer gewissen Sensibilität und Neugierde aus. Die Verbindung von Kultur und Wirtschaft wurde zu diesem Zeitpunkt noch sehr viel harscher diskutiert – Theis empfand jedoch die Möglichkeit, Einblicke in Kontexte zu bekommen, die ihr unbekannt waren und neue Erkenntnisse bedeuteten, spannender als diese Diskussion. Durch die direkte Zusammenarbeit im Prozess des Unternehmenstheaters – „denn es sind auch immer Menschen, die dort sitzen“ – entsteht für sie eine interessantere, aber vor allem stärkere Rückkopplung an die Realität als im herkömmlichen Theater:

„Wenn ich Kunst nicht ins Leben kriege, kann ich es gleich lassen.“

Was die Schauspielausbildung ihr im Hinblick auf ihre jetzige Tätigkeit gebracht hat, weiß Stefani Theis genau: Sie hat gelernt, sich auszudrücken, sowohl körperlich als auch stimmlich, sie weiß, wie sie ihre (Bühnen-)Präsenz modulieren und Dramaturgie einsetzen kann, und ist fähig, eine Veranstaltung danach auszulegen. Das Wissen über Spannung sowie vor allem das Vertrauen in die eigene Intuition sind wesentliche Faktoren für das Gelingen der szenenmacher- Projekte. „Ich muss mit bestimmten Dingen spielen können. Und da verbindet sich die Beratungskompetenz mit dem, was ich als Schauspielerin kann.“ Um nicht nur als Schauspielerin betrachtet, sondern auch mit ebendieser Beratungskompetenz wahrgenommen zu werden, absolvierte Theis noch während der Phase, in der sie sich selbstständig machte, eine Beratungsausbildung beim Deutschen Institut für Erwachsenenbildung. Neben einem Aufbaustudium in Arbeitswissenschaften half es ihr dabei, ihr Wissen einzuordnen und sich selbst souverän zu positionieren.

„Zu den Existenzsorgen als Selbstständiger muss man eine Haltung entwickeln.“

Die Arbeit mit szenenmacher ist für Stefani Theis schon immer finanziell ertragreich gewesen, aber auch die Entlohnung der Arbeit mit dem LOT-Theater bewegt sich mittlerweile nicht mehr nur im Bereich der Aufwandsentschädigung. So können sich die szenenmacher erlauben, bestimmte Projektaufträge nicht mehr annehmen zu müssen, wenn die ständige Wiederholung bestimmter Themen für Autoren und Schauspieler ermüdend wird. Fünf bis zehn große Veranstaltungen betreuen sie im Jahr, die zwischen zwei und vier Wochen Arbeit bedeuten und jeweils mit 5.000 bis 12.000 Euro entlohnt werden. Trotzdem sind sie sich nie sicher, wie sich die Finanzlage über das Jahr entwickeln kann.

„Ich bin nicht gut mit Routinen – obwohl ich sehr diszipliniert arbeiten kann.“

Für die Zukunft ihres Unternehmens und ihrer Laufbahn kann sich Stefani Theis eine komplette Neuorientierung vorstellen. Der Moment, in dem etwas etabliert ist, lässt in ihr den Wunsch erwachsen, wieder neue Dinge auszuprobieren. Die Hauptsache dabei sei, dass die Herausforderung eine neue Qualität habe und im besten Falle ein direkter Bedarf bestünde. Studierenden im kulturellen Bereich gibt sie mit auf den Weg, dass sie bereits während des Studiums viele praktische Erfahrungen auch außerhalb des traditionellen Kultursektors machen sollten. Es ist wichtig, generell Erfahrung im Umgang mit Menschen zu bekommen, sich herausfordernden Situationen zu stellen, die eigenen Belastbarkeitsgrenzen zu testen und somit den eigenen Horizont zu erweitern. Gestaltung von Gesellschaft bedarf einer Kenntnis dieser. „Und lieber hinterher sagen: ‚das ist mir missglückt, das schaffe ich nicht‘, als es nicht ausprobiert zu haben.“ Einen wichtigen Auftrag sowie Bedarf für die Zukunft sieht sie im Bereich Kulturelle Bildung – ob Theater, Musik oder Bildende Kunst, vor allem an Grund- und Hauptschulen sowie in der Lehrerfortbildung. „Es braucht dort Kunst und Kultur, wo Denkprozesse sowie das Verhalten zu mir und der Welt gebildet werden können.“

Text und Foto: Bianca Thomas