Mit Spinnen gegen Spinnenangst – Die Expositionstherapie ist ein Forschungsschwerpunkt von Prof. Dr. Jan Richter

Wednesday, 09. November 2022 um 16:42 Uhr

Seit April 2022 ist Jan Richter Professor für Experimentelle Psychopathologie am Institut für Psychologie der Universität Hildesheim. Er forscht und lehrt zu Angststörungen und entwickelt gemeinsam mit Kolleg*innen ein neues Modell für die intensivierte Kurzzeittherapie. Am 30. November hält er seine Antrittsvorlesung zum Thema "Was heißt eigentlich, psychisch krank zu sein? - Biopsychologische Perspektiven am Beispiel der Angststörungen".

Was ist eigentlich Angst? Warum entwickeln manche Menschen Angststörungen? Und was kann helfen, dagegen anzugehen? Mit solchen und ähnlichen Fragestellungen befasst sich der Psychopathologe Prof. Dr. Jan Richter. Die Psychopathologie ist die Lehre von den Erkrankungen der Psyche und ein interdisziplinäres Teilgebiet der Psychiatrie und Klinischen Psychologie. „Ich sehe mich an der Schnittstelle zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung“, sagt Richter.

Schon früh entdeckte Richter, der ursprünglich Medizin studieren wollte, seine Faszination für Gehirn und Psyche – „und alles, was man damit machen kann.“ Eine große technische und mathematische Affinität kam ihm während des Psychologiestudiums und der anschließenden Promotion an der Universität Greifswald zugute: „Das ist sehr hilfreich bei der Erhebung und Auswertung biopsychologischer bzw. neurowissenschaftlicher Kennwerte.“ Sein späterer Doktorvater Professor Dr. Alfons Hamm war es, der Richter bereits im Studium mit der Forschung zur Expositionstherapie in Kontakt brachte.

Das ist eine psychotherapeutische Methode, bei dem die von einer Angststörung betroffene Person unter kontrollierten Bedingungen und mit therapeutischer Begleitung wiederholt mit dem angstauslösenden Objekt (zum Beispiel einer Spinne) oder der Situation (zum Beispiel im Flugzeug) konfrontiert wird, um so durch neue, korrigierende Lernerfahrungen dauerhaft die Angst zu reduzieren. Dieser Ansatz gilt als Methode der Wahl bei Angststörungen, ist jedoch weiterhin bei den einzelnen Personen unterschiedlich erfolgreich. „Bei einem Drittel der Patient*innen wirkt die Expositionstherapie sehr gut, ein weiteres Drittel profitiert zumindest etwas und bei einem Drittel gibt es kaum Verbesserung. Wir wollten verstehen, warum das so ist.“ Spannend für die Zukunft könnten auch der Einsatz von Augmented-Reality-Technologien oder nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren bei der Weiterentwicklung der Therapieansätze sein.

Parallel zu seiner Promotion absolvierte Richter eine mehrjährige praktische Ausbildung und erlangte die Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten. Sein Behandlungsschwerpunkt, mit dem er auch in der Hildesheimer Hochschulambulanz für Psychotherapie neue Akzente setzen möchte, sind ebenfalls Angststörungen. Gemeinsam mit Kolleg*innen entwickelt er ein zeitlich verdichtetes Verfahren für die Kurzzeittherapie, bei dem über einen Zeitraum von sechs Wochen dreimal wöchentliche Doppelsitzungen à 100 Minuten statt den bisher üblichen monatlichen Einheiten à 50 Minuten vorgesehen sind. „Damit verzeichnen wir erstaunliche Erfolge, auch bei Patient*innen mit sehr langwierigen Verläufen.“ Im nächsten Schritt gilt es laut Richter, auch die Krankenkassen von entsprechend angepassten Finanzierungsmodellen zu überzeugen.

 

Öffentliche Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Jan Richter: Was heißt eigentlich, psychisch krank zu sein? - Biopsychologische Perspektiven am Beispiel der Angststörungen“

Der Psychopathologe Prof. Dr. Jan Richter stellt sich in einer öffentlichen Antrittsvorlesung mit seiner forschenden und lehrenden Tätigkeit an der Universität Hildesheim vor. Die Veranstaltung beginnt am Mittwoch, 30. November um 18.15 Uhr in Musiksaal (K-Gebäude) auf dem Hauptcampus.

 

Psychologie – Psychotherapie - Psychiatrie

Psycholog*innen haben ein Studium der Psychologie absolviert und befassen sich mit dem „Erleben und Verhalten von Menschen“. Einige Psycholog*innen bieten Coachings oder Beratungen an, jedoch keine Therapien. Um therapeutisch tätig zu werden, benötigen sie zusätzlich die Approbation zur/zum Psychologischen Psychotherapeut*in oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in auf Basis einer mehrjährigen Ausbildung. Nur diese Leistungen können auch von den Krankenkassen übernommen werden. (Prof. Jan Richter ist studierter Psychologe und anerkannter Psychologischer Psychotherapeut). Aufgrund der Änderung des Psychotherapeutengesetzes zum 1. September 2020 wird zukünftig ein Masterstudiengang Psychologie mit dem Schwerpunkt Klinische Psychologie und Psychotherapie mit anschließendem Staatsexamen zur Approbation befähigen. Danach wird eine mehrjährige Weiterbildung die Kenntnisse in spezifischen psychotherapeutischen Verfahren und Altersgruppen vertiefen.

Psychiater*innen haben Medizin studiert, danach ihr Staatsexamen gemacht und anschließend eine mehrjährige Weiterbildung absolviert. Die vollständige Bezeichnung lautet „Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“. Anders als Psychotherapeut*innen dürfen Psychiater*innen als Mediziner*innen auch Medikamente, zum Beispiel Psychopharmaka verschreiben.


Am 30. November hält Prof. Dr. Jan Richter seine Antrittsvorlesung zum Thema "Was heißt eigentlich, psychisch krank zu sein?". Foto: privat