Die Krise in Weiß: Die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen für Pflegekräfte und Ärzt*innen

Monday, 25. January 2021 um 11:50 Uhr

Während der COVID-19-Pandemie sind Ärzt*innen und Pflegekräfte erhöhten psychischen Belastungen ausgesetzt, die kurzfristige, aber auch anhaltende Folgen haben können. Dr. Nora Lessing und Prof. Christoph Kröger vom Institut für Psychologie an der Stiftung Universität Hildesheim haben dargelegt, welche Konsequenzen die Erschütterung der sozialen Identität sowie die Verletzung von medizinischen und ethischen Normen verursachen können – und ganz konkrete Handreichungen formuliert, wie sich negativen Auswirkungen intensivmedizinischer Behandlungen begegnen lässt.

Der Umgang mit Tod und Sterben gehört zum beruflichen Alltag von Pflegekräften und Ärzt*innen. Sie sind es auch, die im Todesfall Hinterbliebene informieren und mit deren Trauer konfrontiert werden. Dies ist jedoch nur eine von zahlreichen Extremsituationen, mit welcher Ärzt*innen und Pflegekräfte konfrontiert werden und die zum Alltag einer Intensivstation gehört.

Mitarbeitende im intensivmedizinischen Bereich sind in ihrer täglichen Arbeit einem deutlich höheren Ansteckungsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus und deren Mutanten ausgesetzt als die Allgemeinbevölkerung im Alltag. Fehler, fehlende oder falsche Informationen, aber auch fehlendes Material oder eine zu geringe Personalstärke können fatale Folgen haben. Wenn die eigenen Kollegen erkranken oder sterben – wie es im Verlauf der Pandemie in verschiedenen europäischen Ländern etliche Vertreter*innen der Gesundheitsberufe erleben mussten, belastet dies auch die übrige Belegschaft in besonderem Maße.

Auch die berufliche Identität des medizinischen Personals ist in der aktuellen Situation besonderen Herausforderungen ausgesetzt – wenn beispielsweise die Grenzen der eigenen, fachlichen Kompetenz erreicht werden oder auch berufsbezogene Werte und Normen der erlebten Wirklichkeit nicht standhalten können. Ethische Konflikte und die eigene Unfähigkeit, Tod oder Leiden zu verhindern, sind laut dem Hildesheimer Wissenschaftlerteam hauptursächlich für moralische Verletzungen, die psychische Folgen wie depressive Episoden und posttraumatische Belastungsstörungen auslösen können.  

Um dem vorzubeugen, leiten Dr. Nora Lessing und Prof. Christoph Kröger ganz konkrete Handlungsempfehlungen ab: So sollten kritische, möglicherweise belastende Entscheidungen möglichst von mehreren Personen im Team gemeinsam und gegebenenfalls auch unter Einbeziehung von externen Unterstützer*innen wie Mitarbeitenden der Krankenhaus- oder Notfallseelsorge oder Mitarbeitenden anderer Stationen als Moderator*innen getroffen werden. Wichtig sei es demnach, in solchen Teamgesprächen zu thematisieren, ob und welche Erlebnisse die Mitarbeiter*innen erfahren haben und inwiefern sie dabei an ihre fachlichen oder emotionalen Grenzen gestoßen sind. Auch die Fragen danach, wie sich andere im Team verhalten haben, ob ausreichend Personal anwesend war und ob geeignete Handlungsanweisungen für die konkrete Situation vorlagen, und welche Normen ggf. verletzt wurden, sollten dabei zur Sprache kommen. So kann im Gespräch auch darauf eingegangen werden, ob die beteiligten Personen ihrer Arbeit angemessen nachkommen können oder was dies verhindert beziehungsweise welche Konsequenzen daraus mittel- und langfristig entstehen.

Besonders nach belastenden beruflichen Situationen empfehlen Lessing und Kröger, solche analytischen Nachbesprechung im Team. Dabei sollte ein besonderer Fokus auf die möglichenBewältigungsstrategien im kollegialen Umfeld aber auch im privaten Bereich gelegt werden, damit jeder einzelne den eigenen Handlungsrahmen durch geeignete Aktivitäten erweitern kann. Im beruflichen Kontext kann dies durch eine geeignete, wertschätzende Gesprächskultur und ein gutes Klima innerhalb des Teams unterstützt werden. In der Freizeit können sportliche Aktivitäten oder ein positives privates Umfeld, ebenso wie regelmäßige Schlafroutinen zur Erholung nach psychisch fordernden Situationen beitragen.

 


Dr. Nora Lessing. Foto: privat

Prof. Dr. Christoph Kröger. Foto: privat