Die Geruchsproben kommen per Post: Wie Olfaktorik-Forschung in der Pandemie gelingen kann

Thursday, 25. February 2021 um 11:51 Uhr

Teil 7 der Serie "Forschung in Zeiten der Pandemie": Seit Anfang 2020 habe er nicht mehr im Labor gestanden, sagt PhD Ryan Patrick M. Hackländer aus der Abteilung Allgemeine Psychologie an der Universität Hildesheim. Die Corona-Pandemie hat die Geruchsforschung, ein Schwerpunktthema der Abteilung, deutlich komplizierter werden lassen. Aber dennoch nicht unmöglich, sagt der Wissenschaftler.

„Am Anfang haben wir uns schon gefragt, wie Geruchsforschung unter solchen Umständen überhaupt funktionieren soll“, sagt Ryan Hackländer, Mitarbeiter in der Abteilung Allgemeine Psychologie. Er und Prof. Dr. Christina Bermeitinger haben Anfang 2020 ein drittmittelfinanziertes Projekt gestartet, für das Präsenz-Experimente mit je etwa 30 Proband*innen und mehreren Labor-Terminen vorgesehen war. Anna Brörken wirkt seit Mai 2020 als Doktorandin in diesem Projekt mit. Doch noch in der Vorbereitungsphase kam die Pandemie dazwischen.

Ursprünglich war für die Arbeit im Labor der Einsatz eines sogenannten Olfaktometers vorgesehen. Mit solch einem Gerät, von dem es weltweit nur wenige Exemplare gibt, lässt sich exakt steuern, welcher Geruch zu welchem Zeitpunkt und für wie lange bei einer Versuchsperson ankommt. Im Hildesheimer Labor der Allgemeinen Psychologie stehen gleich zwei Geräte davon, die nun seit fast einem Jahr nicht in Betrieb waren – das eine davon ist sogar noch immer nagelneu und wurde seit 2019 für die Anforderungen in Hildesheim konfiguriert, gebaut und nur kurz vor dem ersten Lockdown aus Italien geliefert.

Nachdem klar geworden war, dass die Zeit der Abstandsregeln und Kontakt-Beschränkungen so schnell nicht wieder vorüber sein würde, musste ein ganz neues Konzept her. Ungefähr ein halbes Jahr habe es gedauert, das Projekt entsprechend umzuplanen und auf die neuen Gegebenheiten abzustimmen.

Denn anders als Bilder, Texte oder Videos, lassen sich Duftmoleküle noch immer schlecht in Bits und Bytes speichern und wiedergeben. Aber: in Briefumschlägen versenden. Und das ist genau die Lösung, die für das Projekt nun umgesetzt wird. „Ich weiß nicht, wie andere Geruchsforscher*innen arbeiten“, sagt Hackländer, der viele seiner Olfaktorikexperimente bis auf Weiteres auf Eis gelegt hat und sich vorläufig anderen Themen widmet. Doch das Drittmittelprojekt, an dem auch die Dissertation von Anna Brörken hängt, lässt sich nicht so ohne Weiteres auf unbestimmte Zeit verschieben. Also kamen Hackländer und Bermeitinger auf die Idee, Geruchsproben per Post zu verschicken.

Nicht nur bei der methodischen, sondern auch bei der inhaltlichen Ausrichtung des Projekts musste nochmal nachjustiert werden, da sich mit Gerüchen in Briefumschlägen nicht dieselben Fragestellungen untersuchen lassen wie im Labor. Während das ursprüngliche Projekt sich auch dem Zusammenhang von Geruch und Aufmerksamkeit widmen sollte, liegt der jetzige Fokus darauf herauszufinden, welche Assoziationen und Emotionen bestimmte Gerüche bei den Proband*innen wecken. „Dafür haben wir zunächst Gerüche ausgewählt, die jeder kennt“, erläutert Hackländer. Den Geruch von frisch gebackenem Brot zum Beispiel, von Erdbeeren, von Weichspüler, aber auch von Teer. Gerüche, erläutert der Wissenschaftler, lösen insgesamt seltener Erinnerungen aus, aber wenn doch, seien diese häufig sehr emotional. So jedenfalls die in der Literatur verbreitete Hypothese, der in diesem Projekt nachgegangen wird.

Insgesamt 20 Geruchsproben erhalten die Proband*innen auf dem Postweg – dazu einen Fragebogen, in dem sie angeben sollen, welche Erinnerungen der jeweilige Duft bei ihnen auslöst und wie intensiv und lebhaft diese Erinnerungen sind. Während mit dem Olfaktometer der Geruch per Schlauch direkt unter die Nase geführt werden kann, riechen die Testpersonen nun zu Hause an kleinen Glasröhrchen. Dass die Testreihen nicht unter Laborbedingungen durchgeführt werden können, sei nicht optimal, sagt Hackländer. „Wir wissen nicht, wie sehr wir den Ergebnissen vertrauen können.“ Gerade Gerüche vermischen sich außerhalb des Labors mit zahlreichen anderen Gerüchen, die die Umgebung gerade bietet.

Aber neben solchen Einschränkungen sieht der Wissenschaftler durchaus auch positive Effekte der Arbeit unter Pandemie-Bedingungen. So bleibe momentan viel mehr Zeit für internationalen Austausch und Kooperationen. „Und im Bereich der Software-Entwicklungen hat sich sehr viel getan. Es gibt inzwischen viel mehr Möglichkeiten, Experimente online durchzuführen, als noch vor einem Jahr denkbar gewesen wäre.“ Leider sind diese Möglichkeiten bisher noch kaum für Olfaktorik-Forschung einsetzbar, wobei auch für die digitale Geruchsforschung erste Entwicklungen zu beobachten sind.

„Forschung zu Olfaktorik und zu ihren vielfältigen Verbindungen zu unserem Denken, Fühlen und Handeln ist jedoch in jedem Fall immer noch Pionierarbeit“, sagt Prof. Bermeitinger, „so dass jegliche Studie einen Beitrag leistet, um wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen.“

Text: Sara Reinke

Die Personen:

PhD Ryan Patrick M. Hackländer, ist seit 2014 an der Universität Hildesheim beschäftigt. Er ist Mitarbeiter in der Abteilung Allgemeine Psychologie am Institut für Psychologie.

Prof. Dr. Christina Bermeitinger leitet seit 2009 die Abteilung Allgemeine Psychologie an der Universität Hildesheim. Die Allgemeine Psychologie erforscht die dem Denken, Fühlen und Handeln im Allgemeinen zugrunde liegenden Prozesse. In Hildesheim sind die beiden großen Schwerpunkte der Abteilung Allgemeine Psychologie der Bereich „Action, motion, spatial cognition“ sowie der Bereich Olfaktorik.

Anna Brörken ist seit Mai 2020 als Promotionsstipendiatin in dem Olfaktorik-Projekt beteiligt.

 

 


PhD Ryan Patrick M. Hackländer musste einige seiner Olfaktorik-Experimente während der Pandemie auf Eis legen. Foto: privat