Politische Informationsnetzwerke: interaktive Plattform soll öffentliche Debatten und Akteure sichtbar machen

Tuesday, 23. March 2021 um 06:42 Uhr

EPINetz ist online. Ein Forschungsteam der Universitäten Hildesheim und Heidelberg entwickelt eine interaktive Plattform, die in Echtzeit laufende politische Debatten sichtbar macht. Die Daten werden aus verschiedenen Quellen im Netz erhoben – von Postings in Sozialen Medien bis zu Drucksachen des Bundestags.

In dem neuen Forschungsprojekt „EPINetz“ (epinetz.de) entwickelt ein Forschungsteam um den Hildesheimer Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolf J. Schünemann eine interaktive Plattform zur Untersuchung von Politikfelddebatten.

In dem interdisziplinären, von der Klaus-Tschira-Stiftung geförderten Verbundprojekt kooperiert das Forschungsteam der Universität Hildesheim mit der Universität Heidelberg.

Die Online-Plattform EPINetz macht auf Basis innovativer datenwissenschaftlicher Verfahren in Echtzeit und ständig aktualisiert öffentliche Debatten und politische Akteure sichtbar – zum Beispiel zu den Themen „Gesundheitspolitik“ oder „Klimapolitik“. Hierbei arbeitet das Forschungsteam unter anderem mit Verfahren des Text-Mining und mit Netzwerkanalysen.

Debatten in Echtzeit – Wer spricht und wird wahrgenommen? Zu welchen Themen? Wie erreichen Personen oder Argumente Aufmerksamkeit?

EPINetz fokussiert auf den deutschen Raum und analysiert unterschiedliche Arten von Daten: Online-Nachrichten, Twitter-Daten und Drucksachen des Bundestags.

Derzeit befindet sich EPINetz noch im Aufbau. Erste Module der Plattform sollen zum Jahresende nutzbar sein und dann über beteiligte Partnereinrichtungen in der politischen Bildung und im Politikunterricht zum Einsatz kommen, erläutert Prof. Dr. Wolf Schünemann.

Genau in dieser Kombination aus Forschung und Praxis besteht eine der Innovationen von EPINetz: Partnerinstitutionen und Anwender*innen werden in die Evaluation der Plattform und ihre Verbesserung mit eingebunden. Außerdem konzentriert sich EPINetz auf politische Debatten und berücksichtigt dabei auch die Eigenlogiken des politischen Diskurses und der mediatisierten Politikvermittlung.

Weitere Forschung im Data Science Lab – Transnationale Verbindungen messen: Datenanalyse zur Diskussion über #ClimateChange

Auch in anderen Forschungsprojekten untersucht Schünemann große Datensätze der Online-Kommunikation. Auf diese Weise erforscht er die transnationale Öffnung und nationale Schließung politischer Themenöffentlichkeiten, etwa in Wahlkämpfen oder in weltweiten Debatten.

Am Beispiel des sozialen Netzwerks Twitter hat der Juniorprofessor für Politik und Internet über zweieinhalb Jahre alle Tweets mit dem Hashtag #ClimateChange erhoben. Etwa zehn Millionen Kurznachrichten bilden die Datengrundlage, um die transnationale Vernetzung und Interaktionen zu messen (siehe Bildmaterial). In einem aktuellen Folgeprojekt wendet er die entwickelten Metriken auch auf einen Twitter-Datensatz zur internationalen Themenöffentlichkeit über COVID19 an und testet neue netzwerkanalytische Verfahren.

Wolf Schünemann untersucht zudem die Ausmaße, die Verbreitungswege und die Wirkung von Desinformation, unter anderem in Wahlkämpfen. Desinformation zählt zu den „derzeit brennenden Forschungsfragen – hier tappt die Wissenschaft noch im Dunkeln und die teils alarmistische Diskussion erst recht“. Schünemann konzentriert sich auf die internationale Dimension und untersucht, welche Desinformationen wie von „außen“ in einen Kommunikationsraum gelangen und wodurch Letzterer in digitalen Zeiten eigentlich noch konstituiert ist.

Data Science Lab ist ein Ort für Forschung und für Lehre

Forschungsfokus: Politik und Internet

Das Data Science Lab ist am politikiwssenschaftlichen Forschungsschwerpunkt „Politik und Internet“ angesiedelt und bildet einen Ort, an dem Forschung und Lehre in den digitalen Sozialwissenschaften betrieben werden, auch in dem neuen Studienprogramm „Digitale Sozialwissenschaften“.

Das Labor bietet den Forscher*innen spezielle Hard- und Software, um große Datenbestände der Online-Kommunikation – etwa Webseiten, Online-Plattformen und soziale Netzwerke – automatisiert zu analysieren.

„Daten, je nach Forschungstradition auch in großen Mengen, haben für die sozialwissenschaftliche Forschung schon immer eine bedeutende Rolle gespielt. Durch die Digitalisierung gesellschaftlicher Kommunikationsformen und digitalisierte Forschungsprozesse lassen sich heute viel leichter große Bestände von sozialen Kommunikations- und Interaktionsdaten erheben und analysieren“, sagt Wolf Schünemann. Dabei seien sowohl die eigentlichen Inhalte – also etwa der Post in einem sozialen Medium – als auch die Metadaten von großem Interesse für die Forschung, so der Politikwissenschaftler. Dennoch, so Schünemann weiter: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So muss die Datenqualität im Auge behalten, müssen automatisiert erhobene Kommunikationsdaten in der Regel aufwändig bereinigt und gut strukturiert abgelegt werden. Die Schlüsse aus den Analysen, teils unter Anwendung maschinellen Lernens, müssen immer kritisch evaluiert werden und sollten erklärbar bleiben.“ Auch mit diesem Ziel werden Studierende der Digitalen Sozialwissenschaften an der Universität Hildesheim ausgebildet.

Zur Person: Prof. Dr. Wolf Schünemann

Die Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Wolf Schünemann liegen in den Bereichen digitalpolitischer Regulierung, politischer Online-Kommunikation sowie supra- und transnationaler Politik.

Methodisch arbeitet der Hildesheimer Politikwissenschaftler an und mit Verfahren der Diskurs- und Netzwerkanalyse, einschließlich qualitativer, quantitativer und automatisierter Analysetechniken. Seit 2016 ist Schünemann Juniorprofessor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politik und Internet am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim.

Mehr erfahren: Digitale Sozialwissenschaften studieren

Die Universität Hildesheim bildet seit Herbst 2020 Studierende in einem neuen Bachelorstudium „Digitale Sozialwissenschaften“ aus. Studierende befassen sich zum Beispiel mit Hate Speech, Desinformation, Datenschutz und Cybersicherheit sowie anderen zentralen Fragen der digitalen Gesellschaft.


Wolf Schünemann forscht und lehrt als Juniorprofessor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politik und Internet am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim. Bildquelle Visualisierungen: Wolf Schünemann und Team, Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim