In die Zukunft denken: Wie die Welt morgen sein könnte

Tuesday, 04. October 2016 um 09:21 Uhr

Die Wissenschaftlerinnen Irene Leser und Jessica Schwarz laden zur Debatte über Utopien und Dystopien ein. „Sowohl Politiker als auch Literaten zeichnen Szenarien von gesellschaftlichen Verbesserungen“, sagt Leser. Auf einer öffentlichen Konferenz an der Universität Hildesheim diskutieren im Oktober etwa 60 Fachleute über das wissenschaftliche und alltägliche Verständnis von gesellschaftlicher Entwicklung, technischen Innovationen und politischer Ordnung.

„Meist werden Utopien in Zeiten geschrieben, in denen gesellschaftliche Umbrüche stattfinden“, sagt Irene Leser. Unter Utopien versteht die Soziologin ein „positiv gewendetes Zukunftsdenken“. Anders als ihr Gegenbild: die „Dystopie“. Dystopien sind das Katastrophendenken und Ängste eigen, sie leben vom Szenario des negativen Ausgangs.

Aber wer schreibt Utopien? „Sowohl Politiker als auch Literaten zeichnen Szenarien von gesellschaftlichen Verbesserungen“, sagt Irene Leser. Die Sozialwissenschaftlerin der Universität Hildesheim lädt im Oktober 2016 gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Jessica Schwarz zur öffentlichen Konferenz „utopisch dystopisch – Visionen einer ‚idealen‘ Gesellschaft“ ein. Die Tagung nimmt das Jubiläum des vor 500 Jahren von Thomas Morus verfassten Buches „Utopia“ zum Anlass, um über das wissenschaftliche und alltägliche Verständnis von gesellschaftlicher Entwicklung, technischen Innovationen und politischer Ordnung zu diskutieren.

Etwa 60 Fachleute werden erwartet. „Wir freuen uns über das große Interesse. Wir haben Zuschriften aus den Fachdisziplinen Architektur, Film, Literatur und historische Erziehungswissenschaft bis zu Biologie, Forstwirtschaft, Migrationspolitik und Soziologie erhalten“, sagt Jessica Schwarz.

Ein Blick in das Konferenzprogramm spiegelt diese vielfältigen Annäherungen an utopisches und dystopisches Denken wider: Der Hildesheimer Politikwissenschaftler Professor David Salomon spricht über „das Utopische in der Demokratie“. „Politische Begriffe sind nie nur beschreibend, sondern sind normative, programmatische Begriffe. Sie fungieren als umkämpfte Strategiekerne in politischer Praxis“, so Salomon.

Hannes Schammann, Juniorprofessor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim, spürt in seinem Vortrag der utopistischen Ader der Migrationspolitik in realem politischem Handeln nach. „Migrationspolitik hat es auch nicht leicht: So sehr sie sich auch bemüht, Widersprüchlichkeit bleibt Teil ihres Charakters. Dies liegt daran, dass nationalstaatliche Migrationspolitik per se ein utopistisches Projekt ist. Schließlich ist aus der Sicht der Migrationsforschung schon die Prämisse gewagt, dass man die Bewegung von Menschen über internationale Grenzen mittels unilateraler Maßnahmen steuern könne. Aber auch das Recht auf Asyl oder neue Entwicklungen wie ein ‚Migrationsmanagement‘,  beispielsweise  über  multilaterale Abkommen, sind im Grunde utopistische Projekte, deren vollständige Realisierung kaum jemand erwartet“, sagt Schammann.

Ein weiterer Tagungsschwerpunkt ist die Auseinandersetzung mit Städten, Umwelt und Nachhaltigkeit. Über die ideale Stadt, Träume und Albträume des Städtebaus spricht Aljoscha Hofmann, Wissenschaftler am Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin. Über „Mikro-Utopismus in der Architektur“ spricht die Berliner Doktorandin Sandra  Meirei. Der Hildesheimer Biologe Torsten Richter referiert über biologische Alterungsprozesse und die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt.

Weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befassen sich mit Utopien aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Jana Trumann von der Universität Duisburg-Essen erläutert „Perspektiven des Lebens und Lernens in Gemeinschaftsprojekten“. In seinem Vortrag „Zur Utopie des virtuellen Lernens: Was von Schule übrig bleibt“ referiert Matthias Rürup von der Universität Wuppertal über virtuelle Lernumgebungen. Über die inklusive Schule als „Ort des Möglichen“ spricht Professor Robert Schneider von der Pädagogischen Hochschule Salzburg.  Erziehungs-und Bildungsideen kommentiert Professor Hans-Ulrich Grunder von der Universität Basel („Alle gleich oder jede(r) anders?“). „In jedem utopischen Text der vergangenen fünfhundert Jahre, sei es eine Skizze oder ein Roman, finden sich Textstellen, Abschnitte oder ganze Kapitel zum Thema Kindheit und Jugend, Sozialisation und Enkulturation, Erziehung und Bildung“, sagt Grunder.

Gesellschaftspolitische Analyse: Konferenz in Hildesheim

Auf der Hildesheimer Tagung „utopisch dystopisch“ (7. und 8. Oktober 2016, Uni-Hauptcampus) analysieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Visionen einer „idealen Gesellschaft“.  In etwa 35 Vorträgen diskutieren die Fachleute, welche Innovationskraft aus utopischen und dystopischen Gesellschaftsentwürfen hervorgeht. Die Hauptvorträge halten unter anderem Greta Taubert, Buchautorin aus Leipzig, und Ulrike Guerot, Publizistin und Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems. Details zur interdisziplinären Tagung, zu einzelnen Vorträgen und zur Anmeldung finden Sie online.

Bei Fragen zur Konferenz kann man sich an Irene Leser und Jessica Schwarz vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim wenden (utopia@uni-hildesheim.de).

Medienkontakt: Pressestelle der Universität Hildesheim (Isa Lange, presse@uni-hildesheim.de, 05121.883-90100)


Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sitzen in einem Hörsaal der Universität Hildesheim.

Zur Konferenz „utopisch dystopisch – Visionen einer ‚idealen‘ Gesellschaft“ werden etwa 60 Fachleute an der Universität Hildesheim erwartet. Themenbild: Chris Gossmann

Zur Konferenz „utopisch dystopisch – Visionen einer ‚idealen‘ Gesellschaft“ werden etwa 60 Fachleute an der Universität Hildesheim erwartet. Themenbild: Chris Gossmann