Abstract Dr. Felix Hinz (Hildesheim): Die Kreuzzüge im Roman: von der Aufklärung bis heute

Die Geschichtskultur prägt maßgeblich die Geschichtsbilder der Gesellschaft. Obwohl der historische Roman neben dem historischen Spielfilm den größten Anteil der Geschichtskultur repräsentiert, wird seine Erforschung bislang weitgehend der Germanistik überlassen. Für die Geschichtsdidaktik besteht hier Handlungsbedarf.

Historischen Romanen und insbesondere historischen Jugendromanen liegt seit ihrer Entstehung in Zeiten der Aufklärung eine erzieherische Absicht zugrunde. Daher ist ihnen stets eine politische Grundströmung zueigen, aus der sich fundierter als bei anderen fiktiven Textgattungen (inklusive historischer Romane, die nicht speziell Jugendliche zur Zielgruppe haben) Rückschlüsse auf gesellschaftliche Gesinnungen und Befindlichkeiten gewinnen lassen.

Der Vortrag soll auf in deutscher Sprache veröffentlichte Literatur beschränkt sein, in zentralen Aspekten dabei jedoch auch in Bezug zu Tendenzen insbesondere der angelsächsischen Tradition gesetzt werden, die in Übersetzungen ins Deutsche die deutlich größte Berücksichtigung fand und findet. Der Textcorpus, auf den Bezug genommen wird, umfasst von der Aufklärung bis heute 116 deutschsprachige Romane, die die Kreuzzüge ins Heilige Land thematisieren.

Zentrale Fragen des Beitrags werden sein: In welcher Weise spielen Selbst- und Fremdbilder in den historischen Romanen eine Rolle? Welchen Inhalts sind sie und wie veränderten sie sich in der Zeit? Wie spiegeln sich tagespolitische Ereignisse in den parabolischen Romanen wider? Inwiefern säkularisierte sich die Kreuzzugsidee in der Entstehungszeit der Romane, und wie schlug sich dies in den Romanen nieder? In welcher Weise unterscheiden sich originär deutschsprachige Werke von solchen, die ins Deutsche übersetzt wurden?

Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Figur Sultan Saladins gelenkt (vgl. Vortrag Jonathan Phillips), der in den Romanen als Ritter par excellence dargestellt wird und gleichsam als religiös-moralischer Spiegel für die Kreuzfahrer sowie als Brücke der kulturellen Verständigung dient (vgl. Vortrag Andreas Körber). Auffällig ist auch, dass nur in wenigen – ausschließlich neueren – Romanen der Versuch unternommen wird, ein tieferes Islamverständnis zu ermöglichen. Dies ist vor dem Hintergrund aktueller politischer Fragen erklärungsbedürftig. Des Weiteren wird darauf einzugehen sein, welche Rolle die Heilige Stadt Jerusalem in den deutschen Kreuzzugsnarrationen spielt – und weshalb. Und schließlich stellt sich die Frage, wie die beiden deutschen Diktaturen, die Bundesrepublik der Nachkriegsjahre und das vereinte Deutschland und ‚der Westen’ (nach dem 11. September) mit dem Thema ‚Kreuzzüge’ literarisch umgingen und welche Schlussfolgerungen dies geschichtsdidaktisch zulässt.