Aktivitätsbericht CO-le@rning 05/22 – 02/23

Im Teilbereich CO-le@rning wird eine digitale Umgebung für Vernetzung und Kollaboration in Studium, Lehre und Projektarbeit entwickelt – der Social C@MPUS. Im Fokus stehen dabei die digitalen Lehrformate Social Reading & Writing, das soziale Netzwerk HilNet sowie das KanBan-Board Wekan.
Nach drei Semestern Arbeitszeit und zur Mitte der Projektlaufzeit liegt nun der zweite Aktivitätsbericht von Team C des Projekts Digital C@MPUS-le@rning vor, der die Entwicklungen zwischen Mai 2022 und Februar 2023 zusammenfasst. Der erste Bericht ist hier nachzulesen.

Social Reading

Das digitale, kollaborative Lesen und Annotieren – kurz kollaboratives Lesen, umgangssprachlich auch Social Reading genannt – ist ein Format, das dabei helfen kann, den Einsatz von Texten in Lehrveranstaltungen wirksam zu gestalten. Kollaborativ lesen – das bedeutet, strukturiert und produktiv zu lesen. Sich in der Gruppe bei der Erschließung eines Textes zu unterstützen und gegenseitig zu motivieren. Verschiedene Perspektiven sichtbar zu machen, Ideen und Thesen miteinander zu teilen. Zu üben, sich ausdrücken und mit Fokus an einen Text heranzutreten.

Viele Gründe sprechen für den Einsatz von Social Reading in Lehrveranstaltungen, unter anderem:

  • Beim kollaborativen Lesen werden Studierende dazu animiert, Lesestrategien zur Erschließung von Texten gezielt anzuwenden.
  • Beim kollaborativen Lesen nutzen Studierenden ihren Leseprozess produktiv, indem sie Fragen, Beobachtungen oder Analysen zum Text annotieren und untereinander diskutieren.
  • Durch den kollaborativen Charakter bildet sich eine studentische Lerngemeinschaft, die sich einander bei der Erarbeitung von Texten unterstützt – was sich laut Selbstaussagen in den bisherigen Lehrevaluationen positiv auf die Lesemotivation auswirkt.
  • Das kollaborative Lesen bietet Dozierenden die Möglichkeit, durch das Verfolgen des digitalen Austauschs den Lernprozess der Studierenden unmittelbar zu begleiten – und den Verlauf der Lehrveranstaltung daran anzupassen.
Erprobung und Evaluation

Nach der Seminarwerkstatt Wie wir lesen wollen im WS21/22 (siehe Aktivitätsbericht 1) wurde das Lehrformat mit frischem Konzept im WS22/23 erneut erprobt. Das Seminar Nach-Wende neu erzählt lehnte sich an der Idee des forschenden Lernens an und setzte sich die Beantwortung mehrerer Forschungsfragen zur Literatur über die Nachwende-Zeit als Ziel. 22 Seminarteilnehmer*innen annotierten jede Woche in dem Tool PDF-Annotation literarische Texte mit dem Auftrag, Hinweise zu den Forschungsfragen zu finden und zu diskutieren. In Präsenzsitzungen wurden die Annotationen von jeweils einer beauftragten Studentin oder einem Student zusammengefasst, Rückmeldungen darauf gesammelt und im Plenum mündlich weitergedacht.

Die Lehrveranstaltung wurde gezielt auf die Anwendung und Wirkung des kollaborativen Lesens hin evaluiert und lieferte vielversprechende Ergebnisse. So stimmten 17 von 18 an der Evaluation beteiligten Personen der Aussage zu oder eher zu, dass das Lesen der Annotationen ihrer Kommiliton*innen Spaß gemacht hat. 15 von 18 Personen stimmten der Aussage zu oder eher zu, dass das Schreiben von Annotationen Spaß gemacht hat. Weitere Details und Ergebnisse der Evaluation werden in einer Publikation veröffentlicht (siehe Abschnitt Dissemination).

Zwei weitere Ergebnisse aus der Evaluation sind für den Transfer des Lehrformats besonders interessant:

Die Aussage Ich wünsche mir, mehr Lehrveranstaltungen in meinem Studiengang würden kollaboratives Lesen als Methode verwenden beantworteten 15 von 18 Studierenden mit Ja, 3 von 18 Personen mit Nein.

Auf die Nachfrage Wie viele Lehrveranstaltungen in deinem Studiengang, in denen Texte gelesen werden, sollten – deiner Meinung nach – kollaboratives Lesen als Methode verwenden? kreuzten 2 Personen die Option Einmal pro Jahr an, 7 Personen die Option Einmal pro Semester, 8 Personen Mehrmals pro Semester und 1 Person enthielt sich.

Dissemination

Zu der Frage, wie das Lehrformat digitales, kollaboratives Lesen und Annotieren so ausgestaltet werden kann, dass die Lesekompetenz von Studierenden unmittelbar gestärkt wird, hielt Rosalie Schneegaß im Mai 2022 eine Präsentation auf dem Jungen Forum für Medien und Hochschulentwicklung (JFMH) in Marburg. Im Anschluss an die Tagung erfolgte eine Einladung zur Einreichung eines Beitrags des in der Reihe Blickpunkt Hochschuldidaktik erscheinenden Sammelbandes Kompetenzen im digitalen Lehr- und Lernraum an Hochschulen. Der Artikel mit dem Titel Kollaboratives Lesen und Annotieren – Ein Lehrformat für mehr Lesekompetenz? erscheint vsl. im Frühjahr 2023.

Im September 2022 vertraten Sanne Ziethen und Rosalie Schneegaß das Team C zudem auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (DGHD) in Paderborn und gaben gemeinsam einen Impuls zum kollaborativen Lesen als neues „täglich Brot“ der Hochschullehre (mehr dazu im Blog). Zu dem auf die Tagung folgenden Sammelband steuerte Rosalie Schneegaß außerdem einen Beitrag bei, in dem sie mithilfe der Evaluationsergebnisse aus dem WS22/23 detailliert auf die Frage eingeht, wie das kollaborative Lesen den akademischen Leseprozess in der Hochschullehre verändert. Der Band erscheint vsl. Ende 2023.

Transfer und OER-Materialien

Angesichts der fortgeschrittenen und erfolgreichen Entwicklung des Lehrformats Social Reading gehört der Transfer des Formats zu den wichtigsten Aufgaben von Team C im kommenden Semester. Erste Transferpiloten können wahrscheinlich bereits im Sommersemester gestartet werden. Die Finalisierung von Handreichungen sowie eines transferierbaren OER-Kurses, der auf dem Konzept des Nach-Wende neu erzählt-Seminars aufbaut, schreitet voran.

Wir rufen alle Lehrenden, die Interesse hätten, digitales, kollaboratives Lesen und Annotieren in einer eigenen Lehrveranstaltung auszuprobieren und mit uns weiterzudenken, auf, sich an uns zu wenden. Wir freuen uns auch über jede Weiterempfehlung!

Social Writing

Kollaborative Schreibprojekte in der Lehre haben viel Potential. In ihnen können Studierende sich gemeinsam Fachinhalte erarbeiten, Schreibkompetenzen stärken und Strategien zur Zusammenarbeit erlernen. In der Praxis haben sowohl Lernende als auch Lehrende allerdings selten gelernt, wie kollaborative Schreibprozesse so organisiert und gesteuert werden können, dass den Schreib- auch Lernprozesse begleiten.

Aus diesem Grund konzentrierten sich die ersten Social Writing-Erprobungen im Projekt auch auf die Frage, wie kollaboratives Schreiben als Kompetenz gelehrt werden kann. Dabei lag der Schwerpunkt auf solchen kollaborativen Schreibstrategien, die möglichst viel gemeinsame Textentwicklung, und möglichst wenig klassische Arbeitsteilung beinhalten.

Erprobung und Evaluation

In der Schreibwerkstatt Schreiben zu vier Händen im SoSe22 probierte eine Seminargruppe von etwa 15 Personen verschiedene Schreibstrategien, -methoden und Organisationsmodi zum kollaborativen Schreiben vor Ort in den Sitzungen aus, um dann direkt im Anschluss gemeinsam zu reflektieren, welche Methoden für welche konkreten Einsatzszenarien gut funktionieren und welche weniger gut.

Das Seminar Kollaborativ Schreiben im WS22/23 begleitete Gruppen aus 4-5 Studierenden, die Woche für Woche gemeinsam einen akademischen Text produzierten. Die Präsenzsitzungen widmeten sich – neben individuellen Besprechungen – vor allem Methoden zur kollaborativen Textproduktion, die dann direkt umgesetzt wurden. Auch Fragen nach kollaborativen Ästhetiken, nach Perspektivvielfalt und Schreibkulturen sowie Qualitätskriterien für unterschiedliche Textsorten spielten in der Veranstaltung eine wichtige Rolle.

Die Figur des einsam und autonom schaffenden Autor oder der Autorin dominiert bis heute unsere Weltanschauung. Das fachspezifische Schreiben lernen in kollaborative Prozesse einzubinden stellte in den bisherigen Erprobungen eine echte Herausforderung dar. Zwar zeigten die Evaluationen, dass die Studierenden laut Selbstaussagen zum Abschluss des Seminars ein gute Vorstellung hatten, was kollaboratives Schreiben ist und wie es durchgeführt werden kann. Gleichzeitig ergaben sich in den Seminarverläufen und vor allem innerhalb der Schreibgruppen immer wieder Bedarfe nach noch konkreteren Methoden, Anleitungen oder Guides, die die komplexen, kollaborativen Schreibprozesse strukturieren und handhabbarer machen können.

Dissemination

Ein Schlüssel dafür wird auch die Präsentation der bisherigen Konzeptionen und Erfahrungen mit Social Writing gegenüber einer interessierten Fachöffentlichkeit sein, mit der erfahrungsgemäß viele neue Ideen und Impulse einhergehen. Aus diesem Grund hat sich Rosalie Schneegaß beim University:Future Festival 2023, bei der TURN Conference 23: Lösungen für transformative Lehre teilen sowie bei der trinationalen Tagung der drei deutschsprachigen Schreibgesellschaften zum Thema Textfeedback darum beworben, Potentiale und Herausforderungen des kollaborativen Schreibens in der Hochschullehre gemeinsam mit anderen Expert*innen zu diskutieren. Über aktive Teilnahmen wird auch zukünftig auf der Projektwebseite berichtet werden.

Transfer und OER

Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den zwei sehr unterschiedlichen Seminarkonzepten bilden eine gute erste Basis zur Entwicklung von transferierbaren, didaktischen Konzepten, die dann als OER publiziert werden können. Gleichzeitig zeigt sich, dass für die Entwicklung geeigneter Materialien für Lehrende wie Studierende noch ein längerer Weg mit weiteren Erprobungen vor uns liegt.

Das Soziale Netzwerk

Software

Nach einer gründlichen Bewertung wurde festgestellt, dass MoodleNet nach einer Umstrukturierung nicht mehr geeignet war, die Ziele des Projektvorhabens zu erreichen: Auch durch etwaige Programmieraufträge hätte MoodleNet nicht als vollumfängliches soziales Netzwerk eingesetzt werden können. Daher evaluierte der Teilbereich C andere mögliche Systeme. Dabei wurde HumHub als das soziale Netzwerk identifiziert, das am besten geeignet ist, um an der Universität Hildesheim zum Einsatz zu kommen. Der Wechsel von MoodleNet zu HumHub hat trotz zeitlichem Aufwand dazu beigetragen, das Erreichen der Projektziele zu sichern.

Sodann stand als Entscheidung an, ob die kostenfreie Version (Community Edition) für das Projekt ausreicht oder ob die kostenpflichtige Professional Edition erforderlich ist. Es folgte eine umfassende Analyse der Vor- und Nachteile jeder Version. Schließlich wurde gemeinsam mit der Projektleitung die Entscheidung für die Professional Edition getroffen. Diese ermöglicht es, Benutzer basierend auf bestimmten Kriterien automatisch in vordefinierte virtuelle Räume (Spaces) zu sortieren, wie zum Beispiel ihrem Studiengang. So können sich Studierende beispielsweise auf einfache Weise vernetzen. Darüber hinaus bietet die Professional Edition die Möglichkeit von Individualentwicklungen, d. h. Programmieraufträgen, die direkt an HumHub vergeben werden können, um sicherzustellen, dass sie auch in den Originalquellcode (corecode) von HumHub integriert werden. Dieses ist wichtig, um Transferpartnern die Möglichkeit zu geben, das Tool identisch zu verwenden. Obwohl HumHub das System ist, das am besten für den universitären Anwendungsfall geeignet ist, gibt es immer noch Funktionen, die von den Benutzern gewünscht wurden, aber noch nicht implementiert sind. Insgesamt wurden deshalb sechs separate Funktionen in Auftrag gegeben. Darunter die Funktion "Entwurfsmodus für Beiträge", mit der unveröffentlichte Beiträge zu einem späteren Zeitpunkt weitergeschrieben werden können, terminierbare Beiträge für eine bessere Planung und Teilen zwischen Spaces, um Inhalte einfacher verteilen zu können.

Kommunikationskonzept

Das soziale Netzwerk hat das Potenzial, das Zugehörigkeitsgefühl zur Universität zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, dass das Tool eindeutig mit der Universität in Verbindung gebracht werden kann. Aus diesem Grund wurde das soziale Netzwerk der Univeristät Hildesheim auf den Namen HilNet ‚getauft‘, der sich an anderen universitären Systemen wie HilData oder HilKat orientiert. Parallel dazu wurde auch ein Logo für HilNet entwickelt, das sich an den bestehenden CI der Universität Hildesheim orientiert. Darüber hinaus haben wir in Zusammenarbeit mit einem Designbüro eine umfassende Kampagne zur Bekanntmachung von HilNet auf allen Universitätsstandorten zum Start des Sommersemesters 2023 konzipiert. Ab Ende März können wir HilNet die Universitätsmitglieder auf Plakaten, Postkarten und Infoscreens informieren.

Geplant ist darüber hinaus eine Launch-Veranstaltung, die als Tag der offenen Tür konzipiert wird. Mit ausgewählten Programmpunkten wird den unseren Gästen das Tool vorgestellt und ausreichend Gelegenheit geboten, Fragen zu stellen sowie analog Kontakte zu knüpfen. Des Weiteren werden Studierende das Tool ab dem kommenden Semester in der einen oder anderen Lehrveranstaltung kennenlernen.

Das Kanban-Board WeKan

Als Tool für die Studienorganisation wurde WeKan im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Willkommen in der Wissenschaft“ vorgestellt. Studierende lernten die Grundfunktionen kennen und konnten ihr eigenes Kanban anlegen. Kanban ist eine Methode des Projektmanagements, die ihren Ursprung in der Automobilindustrie hat und heute in vielen Branchen und Bereichen Anwendung findet. Das Ziel von Kanban ist es, Prozesse und Arbeitsabläufe zu optimieren, indem sie visuell dargestellt und transparent gemacht werden. Dabei werden Aufgaben, Arbeitsschritte oder Anforderungen auf Karten notiert und auf einem Board oder einer Tafel in den verschiedenen Phasen des Prozesses angeordnet. Jeder Karte wird ein bestimmter Status zugewiesen, der den Fortschritt der Aufgabe widerspiegelt, zum Beispiel "in Arbeit", "fertiggestellt" oder "wartet auf Freigabe". Durch die Visualisierung des Arbeitsablaufs können Engpässe, Schwachstellen und Verbesserungspotenziale schnell identifiziert und angegangen werden. Kanban wird oft im Rahmen von agilen Projekten eingesetzt, kann aber auch eigenständig angewendet werden.

Auch die Mitarbeitenden der Universität wurden geschult und hatten die Möglichkeit, sich für die Weiterbildung "WeKan Basisschulung" anzumelden. Einige Arbeitsgruppen und Abteilungen äußerten zudem den Wunsch nach einer spezifisch auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Schulung und Beratung, dem das Projektteam gerne nachgekommen ist.

Auch im Jahr 2023 gibt es für Studierende und Mitarbeitende wieder verschiedene Schulungsangebote.

Mit der steigenden Anzahl an Nutzer:innen von WeKan wurden auch vermehrt fehlende Funktionen (Features) identifiziert. Im Herbst 2022 wurden insgesamt vier Programmieraufträge an den Entwickler vergeben, darunter die Implementierung von Features wie der Möglichkeit, bei mehreren Swimlanes die Spalten (Listen) unterschiedlich zu benennen oder die Option, ein eigenes Hintergrundbild hinzuzufügen. WeKan ist eine Software, hinter der kein großes Entwicklungsteam steckt: ein Vollzeit-Entwickler finanziert sich durch Spenden. Der Vorteil von Open Source Systemen besteht darin, dass es oft eine große Community gibt, die ebenfalls Programmieraufgaben übernimmt - so auch bei WeKan. Die Zeitplanung der Entwicklungsaufträge ist entsprechend zu gestalten - durch entsprechende Beauftragung lässt sich die Implementierung zeitlich steuern.