Aktivitätsbericht SELF-le@rning 09/21 – 04/22

Die Jahre der Corona-Pandemie hatten auch einen Einfluss auf die Lehre, was je nach Umsetzung und persönlichen Präferenzen von einigen Studierenden positiv aufgenommen wurde. Aufgezeichnete Veranstaltungen ermöglichen es beispielsweise Studierenden das Lerntempo ihren eigenen Bedürfnissen anzupassen. Dabei entfällt auch die Notwendigkeit nur für einen einseitigen Frontalunterricht zur Universität kommen zum müssen.

Das Ziel des SELF-le@rning-Projekts ist die Entwicklung neuartiger Selbstlernanwendungen, um Studierende und Lehrende zu unterstützen indem zusätzlich zu dem bestehenden Präsenzangebot die Onlinelehre durch innovative Konzepte ausgebaut wird. Dabei verfolgt das SELF-le@rning-Projekt einen Nanomodul-basierten Ansatz, welcher den Studierenden u.a. die folgenden Möglichkeiten bieten soll:

  • Durch die Berücksichtigung bereits erworbener Kompetenzen, soll ein für die Studierenden individualisierter Lernpfad erstellt werden, um so unnötige Wiederholungen von bereits Bekanntem zu vermeiden.
  • Mit Hilfe von kurzen und regelmäßigen Lernzielkontrollen soll die zu entwickelnde Plattform den individuellen Lernfortschritt erfassen, um so bei Verständnisproblemen Hilfestellungen bieten zu können.
  • Des Weiteren sollen innovative didaktische Konzepte integriert werden, um den Studierenden eine individualisierte Unterstützung ihrer Lernstrategien zu bieten.

Konzeptioneller Entwurf der Selbstlernplattform

In regelmäßigen Meetings haben sich die Projektbeteiligten getroffen, um die Anforderungen und das Bedienkonzept der Selbstlernplattform zu gestalten. Dabei sind vor allem die folgenden Aktivitäten hervorzuheben:

  • In einer ersten Runde wurden Visionen zur Selbstlernplattform gesammelt und miteinander geteilt, um innerhalb des Projekts eine gemeinsame Idee über das zu realisierenden System zu erarbeiten.
  • Anschließend wurde gemeinsam ein User Environment Design (UED) [1, S. 331ff] entworfen. Das UED listet die wesentlichen Funktionsbereiche der geplanten Anwendung aus Endanwenderansicht auf. Für jeden Funktionsbereich werden zudem die bereitgestellten Funktionen und mögliche Übergänge zu anderen Funktionsbereichen aufgezeigt.
  • Es wurden erste Wireframes für die Selbstlernplattform erstellt. Diese stellen einen konzeptionellen Entwurf der geplanten Anwendung dar und bieten eine Übersicht sowie die Anordnung von geplanten Elementen, ohne dabei konkrete Vorgaben hinsichtlich der grafischen Ausgestaltung zu machen.
  • Für die ersten Veranstaltungen wurde bereits prototypisch ein Konzept entwickelt, wie sich diese in einer Selbstlernplattform darstellen lassen. Dieses umfasst u.a. eine hierarchische Gliederung von Lerneinheiten mitsamt den vermittelten und vorausgesetzten Konzepten. Des Weiteren wurden für diese Lerneinheiten schon erste Fragen und Antworten für eine automatisierte Lernzielüberprüfung ausgearbeitet.

Erstellung und Erprobung von Nanomodul-basierter Lehrmaterialien

Um frühzeitig erste Erfahrungen mit dem Nanomodul-Konzept sammeln zu können, hat die Arbeitsgruppe „Mathematik“ parallel zum Entwurf der Selbstlernplattform begonnen bereits erste Lehrvideos zu erstellen. Diese werden derzeit den Studierenden vorlesungsbegleitend als zusätzliches Lernmaterial über das Learnweb angeboten. Die Verwendung dieser Lehrvideos geschieht auf freiwilliger Basis und wird daher nicht bei der Benotung berücksichtigt. Erste Auswertungen zeigen, dass für eine breite Akzeptanz weitere Anreize sinnvoll sein könnten, welche als Bestandteil der Selbstlernplattform eingeplant werden.

Selektion und Adaption didaktischer Konzepte für die Selbstlernplattform

Die Arbeitsgruppe „Psychologie“ hat sich mit dem Schwerpunkt der Lern-Psychologie beschäftigt, um in der Selbstlernplattform Konzepte zu realisieren, welche einen positiven Einfluss auf das Lernen haben. So sollen die Studierenden über die Nanomodule kontinuierlich kleine Lernaufgaben [2], [3] erhalten, über die sie ein Feedback zu ihrem aktuellen Lernstand (sog. Bearbeitungsfeedback; [4]) bekommen. Diese Art des formativen Assessments, bei der die Lernaufgaben keine „Miniprüfungen“ darstellen, sondern als Lernanlass aufgefasst werden, hat sich in Metaanalysen als hervorragend geeignet erwiesen, um die Lernergebnisse zu steigern (vgl. [2]). Sie korrespondieren mit dem Befund, dass zeitlich verteiltes Lernen für das langfristige Behalten effektiver ist als zeitlich massiertes Lernen [5]. Ferner belegt der Testungseffekt, dass die dauerhafte Behaltensleistung durch den wiederholten Abruf von prüfungsrelevanten Informationen aus dem Langzeitgedächtnis beim Bearbeiten formativer Leistungstests deutlich gesteigert wird [6]. Das Lernstrategietraining zielt insbesondere darauf ab, das Tiefenverständnis zu fördern, obwohl ggf. geschlossene Quizfragen gestellt werden. Das Training soll gezielt gegen eine oberflächliche Bearbeitung, die üblicherweise bei geschlossenen Fragen im Vordergrund steht [7] eingesetzt werden.

Erfassung der existierenden Lern-Anwendungslandschaft

Parallel zu den anderen Arbeiten wurde eine Befragung an der Universität durchgeführt, um einen Überblick über die existierende Infrastruktur zu erhalten. So sollen bereits existierende Lernanwendungen, aber auch zur Verfügung stehende Dienste und Hardware erfasst werden, welche ggf. für die Entwicklung oder Integration neuer Systeme genutzt werden können.

Referenzen

[1] Holtzblatt, K. & Beyer, H.: Contextual Design Design for Life – Design for Life. Elsevier Science & Technology Books. 2016.

[2] Bücker, S., Deimling, M., Durduman, J., Holzhäuser, J., Schnieders, S., Tietze, M., Sayeed, S. & Schneider, M. (2015). Prüfung. In M. Schneider & M. Mustafić (Hg.), Gute Hochschullehre: Eine evidenzbasierte Orientierungshilfe: Wie man Vorlesungen, Seminare und Projekte effektiv gestaltet (S. 119–152). Springer.

[3] Enders, N. & Aßmann, M. (2017). Semesterbegleitende Aufgaben. In J. Gerick, A. Sommer & G. Zimmermann (Hrsg.), Kompetent Prüfungen gestalten. 53 Prüfungsformate für die Hochschullehre (S. 216–219). Stuttgart: UTB.

[4] Christophel, E. (2014): Lehrerfeedback im individualisierten Unterricht. Spannungsfeld zwischen Instruktion und Autonomie. Zugl.: Koblenz, Landau (Pfalz), Univ., Diss. u.d.T.: Christophel, Eva: Individualisierter Unterricht: Lehrerfeedback im Spannungsfeld zwischen Instruktion und Autonomie. Wiesbaden: Springer VS (Research).

[5] Donovan, J. J. & Radosevich, D. J. (1999). A meta-analytic review of the distribution of practice effect: Now you see it, now you don't. Journal of Applied Psychology, 84(5), 795–805.

[6] Rowland, C. A. (2014). The effect of testing versus restudy on retention. A meta-analytic review of the testing effect. Psychological Bulletin, 140(6), 1432–1463.

[7] Lindner, M.A.; Strobel, B. & Köller, O. (2015): Multiple-Choice-Prüfungen an Hochschulen? In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 29 (3-4), S. 133–149. DOI: 10.1024/1010-0652/a000156.