Dieses Projekt ist koordiniert vom 'Principal Investigator' PD Dr. Sacha Kagan (Universität Hildesheim) und der 'internationalen Kooperationspartnerin' Prof. Dr. Miranda Crowdus (Concordia University, Montreal, Canada)
Teil des DFG-Schwerpunktprogramms 2357: Jüdisches Kulturerbe (2022-2025)
Das Projekt beschäftigt sich mit der Diversität der zeitgenössischen jüdischen Kultur im Kontext der hegemonialen Europäischen Gesellschaften. Es identifiziert die Reproduktion eines jüdischen Kulturerbes als Vorgang, der durch die Begegnung mit jüdischem Leben zustande kommt. Jüdische Standpunkte werden durch kreative Begegnungen erforscht und “queere” Antworten auf das öffentlich-etablierte jüdische Kulturerbe gesucht.
Das Projekt ist fokussiert auf die Erfahrungen von queeren Jüd:innen und beinhaltet viele Jüdische Standpunkte – von sekularen bis hin zu charedischen. Diese machen das Jüdische Kulturerbe „queer“ auf Arten und Weisen, die sich spürbar unterscheiden von der üblicherweise intendierten Aufnahme durch die breite Öffentlichkeit. Besonderes Augenmerk wird auf Identitätsverhandlungen queerer Jüd:innen und der Schaffung ihres eigenen Jüdischen Kulturerbes durch künstlerisches Schaffen und kreative Begegnungen gelegt. Ein weiterer Fokus sind die Nuancen der Geschlechterkonstruktion der traditionellen Jüdischen Praxis im Gegensatz zur hegemonialen Heteronormativität. „Queering“ wird für kulturelle Nachhaltigkeit eingesetzt, indem die Kunst des Zusammenlebens als ein „queerer“ kreativer und kritischer Prozess verstanden wird, jenseits von Abhängigkeiten der vorherrschenden Normen, um die Sicherheiten des guten Lebens aufzubrechen und sich für mögliche andere Lebensarten zu öffnen.
Queere Kritik wird eingesetzt um Normativität auf zwei Ebenen der gesellschaftlichen Konstruktion des Jüdischen Kulturerbes zu untersuchen, in dem sie „gequeert“ werden:
(1) Das Konstrukt des “jüdischen Kulturerbes“ in der Öffentlichkeit der Europäischen Gesellschaften, im Hinblick auf seine möglichen marginalisierenden und/oder ausschliessenden Effekte auf Jüdische Gemeinschaften.
(2) Das Konstrukt des eigenen Kulturerbes der zeitgenössischen Jüdischen Gemeinschaften selbst, im Hinblick auf seine möglichen marginalisierenden und/oder ausschliessenden Effekte auf queere Menschen.
Spezifisch (sensorisch-) ethnografische empirische Aufmerksamkeit wird auf folgende Punkte gelegt:
(1) der Moment des Aufeinandertreffens der (queeren) Jüd:innen mit „ihrem“ Kulturerbe, als Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden, und
(2) kulturelle Produkte, die „queere“ reparative Lesarten (wie „Disidentification“ und utopische Potentialität) beinhalten können.
Das Projekt will Wege finden, wie Jüdisches Kulturerbe angemessener behandelt und präsentiert werden kann und dabei das ganze Spektrum des Jüdischen und queeren Lebens berücksichtigen. Es wird Konzepte entwickeln, die auf pluralistische, konvivialistische Konstrukte kulturellen Erbes gerichtet sind.
Diese Forschung wird neue Themenfelder für die Jüdischen Studien erschließen, und zur Untersuchung der komplexen Wechselbeziehung der zeitgenössischen kleinen Jüdischen Minderheit in Europa mit Politik, ihrer Gestaltung, und sozialen Konventionen in der breiten Öffentlichkeit beitragen.
Im Jahr 2023, dem ersten vollen Kalenderjahr des Projekts, wurden neben der laufenden empirischen Feldforschung in mehreren europäischen Ländern und der Integration vorläufiger Forschungsergebnisse in Graduierten-Seminare an der Universität Hildesheim, der Leuphana Universität Lüneburg und der Concordia University die folgenden ersten Ergebnisse erzielt:
Öffentliche bzw. Konferenz- Vorträge:
- 09.03.2023, Crowdus' Keynote Speech "Hearing Religious Musicking as Intervention: Examples from the Quebecois Everyday", bei "Religion Performed": Jährliche interdisziplinäre Konferenz für Hochschulabsolventen, Concordia University.
- 17.04.2023, Vortrag von Crowdus und Kagan "Synergies in 'Queering Jewish Cultural Heritage': Scholars in Conversation", Teil der Vortragsreihe "(Inter)Connections", organisiert vom Collectif Judéité(s) in Kanada - online verfügbar unter youtu.be/RK6YIMdMj4A
- 30.05.2023, Kagan, Buchdiskussion mit Alfonso Montuori, Teil der "Creative Futures Author Series", California Institute of Integral Studies (online) [verlinkt mit dem unten als "Kagan 2023" aufgeführten Buchkapitel].
- 05-07.06.2023, Crowdus und Kagan, Beiträge auf dem "Großen Forum" des SPP 2357, abgehalten an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd.
- 18.07.2023, Panel Session "Queering Jewish Studies and Jewish Cultural Heritage", einberufen von Kagan, bei der EAJS (European Association of Jewish Studies) 12th Conference "Branching Out: Diversity of Jewish Studies" an der Goethe-Universität Frankfurt, mit Vorträgen von Crowdus, Kagan, Jan Wilkens (Universität Potsdam) und Sarah Ross (HMTM Hannover).
- Die Veröffentlichung eines "Datensatzes" mit verschiedenen Multimediadateien wie z. B. Muster von Thora-Kantillationen, die neue Wege im Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe aufzeigen: Crowdus, M., Proutskova, P. [Hauptautor] et al. (2023) The VocalNotes Dataset, (2023, September 15). [Datensatz]. Open Science Framework (OSF), online verfügbar unter osf.io/z5xej (NB: Ein Datensatz soll zur offenen Wissenschaft beitragen, indem es die Durchführung weiterer Forschung durch andere Wissenschaftler erleichtert).
Drei Veröffentlichungen im Zusammenhang mit den ersten theoretischen und empirischen Forschungsergebnissen des Projekts:
- Crowdus, M. 2023. "Foreword" in The Moral Heritage: On the Sustainability of Jewish Musical Heritage in 21st Century Germany von Sarah M. Ross, Berlin: Peter Lang.
- Crowdus, M. 2023. "Closing remarks: Space and Time in the Music of Prayer", in Le temps, supérieur à l'espace? En conversation avec le pape François et le Rabbi Abraham Heschel (Angelo Cardîta, ed.), Montreal : Presses de l'Université Laval.
- Kagan, S. 2023. "Queer Convivial Futures", in Routledge Handbook for Creative Futures (Gabrielle Donnelly and Alfonso Montuori, eds.), New York/London: Routledge.
Im Jahr 2024 wurden neben der laufenden empirischen Feldforschung in mehreren europäischen Ländern und der Integration vorläufiger Forschungsergebnisse in Graduierten-Seminare an der Leuphana Universität Lüneburg und der Concordia University die folgenden ersten Ergebnisse erzielt (siehe auch die im Vorjahresbericht aufgeführten Veranstaltungen):
Öffentliche bzw. Konferenz- Vorträge:
- 16.02.2024 Crowdus: ‘Keynote’ Vorlesung bei “Explorations on Decolonization and the Study of Religion", Kolloquium, McGill University, Montreal, Kanada
- 28.05.2024 Crowdus: Vortrag “Sounding Judaism in Dead Spaces: Contesting Heritage through Aesthetic Reclamation and Reanimation”, Canadian Society for Jewish Studies, York, Kanada
- 05.06.2024 Kagan: körperlich komplexitätsreflektierendes Gruppenworkshop/-spiel “Jewish Village Triangles: Reflecting on ‘Authorizations of Jewish Heritage’ through an embodied systems game workshop”, Großes Forum des DFG SPPs 2357 “Jüdische Kulturerbe”, Warschau, Polen.
- 17.06.2024 Crowdus: Vortrag “Unsettling Pilgrimages: Canadian-Jewish Encounters with Jewish Cultural Heritage in Germany”, Association for Canadian Jewish Studies, Montreal, Kanada
- 26.06.2024 Kagan: “Radicalizing Aesthetics of Complexity with Iridescence?”, Gastredner zur Eröffnung des Workshops “Sustainability, Imagination and Aesthetics”, Institute of Advanced Studies and Institute for Sustainability, University of Surrey, Guildford, U.K.
- 27.06.2024 Kagan: ‘Keynote’ Vortrag “A response-ability for radical complexity in artistic spaces of possibilities and/or potentiality” (online), Internationales Seminar “Modes of Production: Performing Arts and the Ecological Transition”, Center for Interdisciplinary Studies (CIS), University of Coimbra, Portugal
- 8.7.2024 Crowdus: Vortrag “Sounding Judaism in Dead Spaces: Contesting Heritage through Aesthetic Reclamation and Reanimation”, auf dem Panel “Jewish Minority Agency in the Public Sphere”, British and Irish Association for Jewish Studies, Bristol, U.K.
- 15.12.2024 2 Vorträge: Crowdus, “Performing Destigmatization: Contesting Antisemitism and Polarized Narratives in the Public Sphere through Sonic and Musical Activism”; Kagan, “Queeridescent Jewish Archetypes in the Works of a Few Contemporary Artist”, im von Kathryn Huether, Miranda Crowdus und Sacha Kagan organisierten Panel: “Antisemitism and Destigmatizing Counteractions in the Public Sphere: Affect, Power, and Performativity Post-October 7th, 2023”, Association for Jewish Studies 56. Kongress (online)
Vier Veröffentlichungen im Zusammenhang mit vorläufigen theoretischen und empirischen Forschungsergebnissen des Projekts:
- Crowdus, M. 2024. “Jewish Music Pedagogies and Cultural Sustainability: Case Studies from Lower Saxony and Quebec”. Canadian Jewish Studies, 38, 56-84.
- Crowdus, M. 2024. “Decolonial Affordances: Sounding and Listening Interventions in Higher Education” Arc: The Journal of the School of Religious Studies, 51, 76-120.
- Crowdus, M. 2024. “Foreword”. In Sarah M. Ross, The Moral Heritage: On the Sustainability of Jewish Musical Heritage in 21st Century Germany. Berlin: Peter Lang.
- Kagan, S. 2024 . “Lee Yeonsook’s Sustainable Place-Making”. In Yu Hyunju (Ed.), Running Stage. 2022-2023 작가조사연구비평. Artist Research Study Critique. Featured Artist: Lee Yeonsook 이연숙. Seoul: mwa press. (NB: Publication officially retro-dated by ARKO as: 2023)
Projektbezogene Öffentlichkeitsarbeit:
- 16.05.2024: Crowdus: “Oud Therapy: Jewish Music, Representation, and Diversity Post-October 7th 2023”, Adath Jeshurun Synagogue, Louisville, KY, USA (akademischer Vortrag und musikalische Darbietung)
- 04.06.2024: Crowdus: Keynote-Referent “Synagogue Life and/as Cultural Heritage”, Großes Forum des DFG SPPs 2357 “Jüdische Kulturerbe”, Warschau, Polen
- 30.07.2024: Crowdus: “Making Musical Archives: Sounding Musical Archives” vorgestellt beim Fellowship NEH Summer Institute – “Content Warning: Engaging Trauma and Controversy in Research Collections,” Indiana University Bloomington, USA
- 03.11.2024: Crowdus: “Oud Therapy: Jewish Diversity and Representation” Musikalischer Workshop, Adath Israel Synagogue, Montreal, Kanada
Dieses Projekt wird von der DFG gefördert unter der Projektnummer 497299755.