Delia Häpke

„Vorgezogen wurden ehemalige Soldaten.“

Delia Häpke, 1927 geboren, 1945 – 47 Ausbildung zur Krankenschwester, 1948 Abitur in Bremen, 1948 – 54 Studium der Evangelischen Theologie in Bethel bei Bielefeld, Heidelberg und Göttingen; zuerst Leiterin des Diakonischen Jahres in Münster und anschließend der Evangelischen Frauenhilfe e. V. in Braunschweig.

Ich war das jüngste Mitglied eines Familienzweigs, in dem alle studierten. Bei uns wurde die Frage nach Junge oder Mädchen gar nicht gestellt. Ich versuchte mein Leben bewusst entsprechend dieser Familie, von der inzwischen niemand mehr lebte, würdig zu gestalten. Um also die Vorbedingungen für ein Studium der Evangelischen Theologie zu erfüllen, half mir - solange ich noch unmündig war - mein Vormund, eine Schwester meiner 1943 verstorbenen Mutter.

Vielfach brachten die Erwartungen, dass auch Frauen alle geistlichen Ämter übernehmen könnten, heftige Ab- und Gegenwehr hervor, die oft in herabsetzender und verletzender Weise ausgedrückt wurde. Zur Zeit meines Studiums galt, dass Frauen Vikarinnen (Stellvertreterinnen der Pfarrer) werden können, aber keine Pfarrer selbst. Dies habe ich erst einmal so hingenommen. Wichtiger als Titel und Gehaltshöhe war mir die Aufgabe: Meine erste Vorstellung war, später als Unterrichtsschwester zu arbeiten, um den jungen Schwestern die erlebnisvertiefenden Gedanken und Gespräche anbieten zu können, die mir in der Ausbildung fehlten und mir die Zeit erheblich erschwert hatten. Zu der Zeit war mir allerdings nicht bewusst, dass das Theologiestudium für Frauen sich gerade wie eine Art Zeiterscheinung in vielen Ländern und Kirchen zeigte und zunächst viele kulturelle und rechtliche Fragen mit sich brachte.

Mein Abitur aus den Kriegsjahren wurde nicht anerkannt, weshalb ich für ein Jahr noch einmal die Schule besuchen musste. Auch der Beginn meines Studiums zog sich hinaus: Es gab viele Studienbewerber und vorgezogen wurden ehemalige Soldaten, die jetzt endlich mit ihrer Ausbildung beginnen konnten.
Obwohl mir im Aufnahmeformular ein Zimmer zugesagt worden war, hieß es bei meiner Ankunft in Heidelberg: „Ein Schreibfehler“. Zum Glück nahm eine Familie mich doch noch als zweite Bewohnerin in ihre Wohnstube mit auf. Aber für uns beide gab es nur eine Waschschüssel und an Sonn- und Feiertagen bewohnte die Familie die Wohnstube selbst. Zum Glück war in der Universität ein Hörsaal offen, in dem sich die Sonntage kühl, aber trocken und hell verbringen ließen.

 

Nach meiner Erinnerung waren an der kirchlichen Hochschule seinerzeit ca. 10 Prozent Studentinnen. Ihr Benehmen und ob sie sich züchtig kleideten, wurde gut beobachtet. Als ich einige Semester später im Studentinnenheim wohnte, war Herrenbesuch im Zimmer anzumelden und vorzustellen! Je nach Veranlagung waren die Reaktionen der Studentinnen darauf verärgert oder humorvoll. Das Zusammenleben in allen Alltagsbereichen voneinander fremden Frauen und Männern konnte sich nur langsam zu einem Normalzustand entwickeln.