Zusammenfassung
Diese empirische Arbeit in der kognitiven Translationswissenschaft geht der Frage nach, ob und wie sich das Übersetzen in eine Fremdsprache (L2) hinsichtlich des Arbeitsprozesses, des Aufwands und des Ergebnisses vom Übersetzen in die Muttersprache (L1) unterscheidet. Anlass dazu gab der Umstand, dass gegenüber dem Übersetzen in die L2 in der Übersetzungswissenschaft, Lehre und Berufswelt immer noch Vorurteile bestehen, obwohl diese Übersetzungsrichtung eine weit verbreitete und für manche Sprachgemeinschaften sogar unverzichtbare Praxis darstellt. Die Studie konzentriert sich auf das Sprachenpaar Deutsch-Englisch, auch im Hinblick auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Übersetzungen ins Englische im deutschsprachigen Raum.
Unter kontrollierten Bedingungen führten FachübersetzerInnen, die beruflich sowohl aus ihrer L1 Deutsch in ihre L2 Englisch als auch umgekehrt arbeiten, Übersetzungsaufträge aus. Als Kontrollgruppe fungierten FachübersetzerInnen, die ausschliesslich in ihre L1 übersetzen, d.h. entweder ins Deutsche oder ins Englische.
Gestützt auf den Mixed-Methods-Ansatz wurden in der Hauptuntersuchung die Übersetzungsprozesse mit Methoden der Translationsprozessforschung – d.h. mit Protokollierung der Tastenanschläge, Aufnahme des Computerbildschirms, Protokollierung retrospektiven Lauten Denkens, Blickerfassung und Interview – erfasst und ausgewertet. Abgeleitet von den Haupttätigkeiten Schreiben, Überarbeiten, Recherchieren und Pausieren wurden zahlreiche Prozessdeskriptoren analysiert und verglichen. Durch Triangulation mit Daten aus der Zieltextanalyse wurden Indikatoren für den Übersetzungsaufwand gemessen. Die Auswertung ergab für die überwiegende Mehrheit der Prozessdeskriptoren und der Aufwandindikatoren keine statistisch signifikanten Unterschiede aufgrund der Übersetzungsrichtung.
In der Nebenuntersuchung beurteilten intendierte Adressatinnen und Adressaten der englischen Zieltexte deren Angemessenheit anhand eigener Kriterien und ohne Rückgriff auf den Ausgangstext. Die Auswertung ergab keinen signifikanten Unterschied in der Zieltextqualität aufgrund der Übersetzungsrichtung.
Somit konnte diese Studie zeigen, dass die Übersetzungsrichtung offensichtlich keine bedeutsame Rolle beim Übersetzungsprozess, der Produktqualität und dem übersetzerischen Aufwand spielt. Damit entkräftet sie vorgebrachte Vorbehalte gegen das Übersetzen in die L2.
This empirical study in Cognitive Translation Studies investigates whether and how translation into a foreign language (L2) differs from translation into the native language (L1) in terms of the translation process, the effort and the product. The rationale behind the study was to investigate prejudices towards translation into the L2 that persist in Translation Studies, translation training and practice despite the fact that it is widely practiced and even is the main translation direction in many language communities. The study focuses on the German-English language pair, also in view of the continually high demand for translations into English in German-speaking countries.
As participants, qualified non-literary translators who are used to translating professionally both from their L1 German into their L2 English and vice versa performed two translation tasks under controlled conditions. The control groups consisted of professional translators who translate exclusively into their L1, i.e. either into German or into English.
Following a mixed methods approach, the main study investigated the translation processes
using methods of translation process research: keystroke logging, screen recording, retrospective verbal protocol, eye tracking and interview. From the principal process activities writing, revising, information searching and pausing, process descriptors were derived, analysed and compared. By triangulating results with data from the target text analysis, indicators of translation effort were measured. For the vast majority of the process descriptors and effort indicators, the results showed no statistically significant differences with regard to translation direction. In the substudy, intended addressees of the English target texts assessed the texts’ acceptability based on their own criteria and without resorting to the source text. The results showed no statistically significant difference in target text quality with regard to translation direction. In summary, this study showed that translation direction clearly plays no significant role in the translation process, the product quality and the translation effort. It thus invalidates preconceptions about translation into L2.