Was heißt Stiftungsuniversität?

Im Jahr 2002 verabschiedete der Niedersächsische Landtag ein neues Hochschulgesetz. Auf Initiative des damaligen reformorientierten Wissenschaftsministers Thomas Oppermann enthielt das Reformgesetz in § 55 eine weitreichende Neuerung:

„Eine Hochschule kann auf ihren Antrag durch Verordnung der Landesregierung in die Trägerschaft einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts überführt werden. (…) Die Stiftung unterhält und fördert die Hochschule in deren Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie hat zum Ziel, durch einen eigenverantwortlichen und effizienten Einsatz der ihr überlassenen Mittel die Qualität von Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung an der Hochschule zu steigern.“

Die Stiftungshochschulen sollten mehr Autonomie erhalten. Die staatliche Verantwortung besteht weiter fort. Hierzu zählt auch die Grundfinanzierung. Doch an die Stelle der gewohnten staatlichen Erlasse tritt ein neues Kontraktmanagement in Form von Zielvereinbarungen. Die Stiftungshochschulen erhielten vom Gesetzgeber die Dienstherren- und Bauherreneigenschaft. Ein siebenköpfiger Stiftungsrat, darunter ein Vertreter des Fachministeriums, ernennt im Einvernehmen mit dem Senat der Hochschule die Mitglieder des Präsidiums und beschließt Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Das Präsidium führt die laufenden Geschäfte. Die im Gesetz geregelte Übertragung des Berufungsrechts an die Stiftungshochschulen erfolgte bereits im Januar 2003.

Kritiker wiesen auf eine Schwachstelle hin. Die Stiftungshochschulen erhielten als Grundstockvermögen vom Land das Eigentum an den Liegenschaften übertragen. Sie erhielten aber keinen Kapitalgrundstock. Folglich konnten und können sie sich auch nicht aus den Erträgen des Stiftungskapitals finanzieren. Die öffentlich-rechtliche Stiftung, und eine solche ist die Stiftungsuniversität, bleibt „in staatlicher Verantwortung“, deren laufende Tätigkeit durch eine jährliche Finanzhilfe des Landes gedeckt wird. Derartige öffentlich-rechtliche Stiftungen, zu denen beispielsweise die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Franckeschen Stiftungen zu Halle zählen, prägen die Vielfalt kultureller, sozialer und eben auch wissenschaftlicher Einrichtungen in Deutschland. Zu den öffentlich-rechtlichen Stiftungshochschulen in Deutschland zählen heute auch die Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und die Universität zu Lübeck.

Der wichtigste Ertrag der Stiftungsuniversität liegt, wie vom Senat 2002 als Zielsetzung vorgegeben, in der gewonnenen Autonomie. Sie ist der größte Aktivposten in der Zwischenbilanz. Die Universität entwickelte eigenverantwortlich neue Studiengänge, die heute ihr Profil mit prägen und einen wichtigen Beitrag zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit leisten. Diese Entwicklung wurde durch den Bologna-Prozess mit seiner Bachelor-Master-Struktur gefördert. Auch die Rolle unabhängiger Akkreditierungsagenturen beförderte den Prozess. Aber entscheidend wirkten Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Stiftungsuniversität. Beispielhaft seien die neuen Studiengänge Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten Frühpädagogik und Diversity Education, Pädagogische Psychologie, Wirtschaftsinformatik sowie Umweltwissenschaft und Naturschutz genannt.

Die Stiftungsuniversität Hildesheim verdankt ihre Erfolge zu einem erheblichen Teil dem Zugewinn an Autonomie, der mit der Stiftungsgründung einherging. Sie wird diesen Weg entschlossen fortsetzen.

Wolfgang-Uwe Friedrich, Präsident von 2003 bis einschließlich 2020

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