Jahrestagung des Zentrums für Bildungsintegration

Sport als Heimat? Biographische Navigationen in gesellschaftlichen Rahmungen

Das Bedürfnis eine Heimat zu haben bzw. sich heimisch zu fühlen gerät nicht nur durch die aktuellen Fluchtbewegungen verstärkt in den Mittelpunkt wissenschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher und sogar politischer Diskussionen...

Das Bedürfnis eine Heimat zu haben bzw. sich heimisch zu fühlen gerät nicht nur durch die aktuellen Fluchtbewegungen verstärkt in den Mittelpunkt wissenschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher und sogar politischer Diskussionen entgegengesetzter Couleur.

Auch im Sport findet dieser Begriff Eingang, so z.B. im Projekt „Sport schafft Heimat“ des Bayrischen Landes-Sportverbandes zur Förderung der Willkommenskultur in Sportvereinen für Menschen mit Fluchterfahrung.

Der Sport bedient sich aber auch jenseits dieses Phänomens der Heimatmetapher. So lässt sich exemplarisch in der Satzung des BVB nachlesen, dass der Verein „Kindern und Erwachsenen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Glauben, sozialer Stellung oder sexueller Identität eine sportliche Heimat“ bietet (§ 2, Abs. 3). Dem Sport wird ein hohes Potenzial für Inklusionsprozesse und Zugehörigkeitserfahrungen zugeschrieben, das sich in politischen Initiativen und konkreten Förderprogrammen niedergeschlagen hat.

In einer globalisierten, entgrenzten Welt, scheint es notwendig, sich seiner eigenen Identität und Zugehörigkeit(en) zu vergewissern. Dabei wird das, was Heimat sein kann definitionsbedürftig, aber auch definitionsfähig.

Heimat heute ist auch als „Heimat 2.0“ (Hildebrandt, 2014) im Sinne von Lebensmöglichkeiten und nicht mehr als Herkunftsnachweis denkbar.

„Die Heimat der Zukunft ist Patchwork und nicht Privileg“ (Schneider, 2017). Ein zentraler Bestandteil dieses Patchwork ist in vielen Biographien der Sport, der als wichtige Sozialisationsinstanz und Wertevermittler gehandelt wird. Sport kann Zugehörigkeit und Teilhabe ermöglichen. Er kann dazu beitragen, sich heimisch zu fühlen. Kann er möglichweise auch Menschen beheimaten, indem er den grundsätzlichen Bedürfnissen nach Raumorientierung, Zugehörigkeit und Konstitution von Gruppenidentität entgegenkommt?

Der sich im Wandel befindende Heimatbegriff bietet Ansatzpunkte für derartige Überlegungen, die wiederum dazu dienen, den Begriff zu schärfen, kritisch zu hinterfragen und möglichweise auch zu verwerfen.

Die Tagung stellt eine Gelegenheit dar, solche Gedanken vor dem Hintergrund der sportwissenschaftlichen Diskurse und der Interventionspraxen kritisch-konstruktiv zu diskutieren. Denn auch der Sport selbst ist Wandlungsprozessen unterworfen. Zugehörigkeiten zum Sport sind nicht mehr per se auf Dauer geschaltet; vielmehr bewegen sich die Individuen im Spannungsfeld von Individualisierung, Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung. Sie navigieren vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und in den vorzufindenden gesellschaftlichen Rahmungen, die nicht zuletzt auch durch den Sport geprägt sind.

Auf der Tagung sollen sowohl die Subjektperspektive als zentraler Zugang zu lebensweltlichen Erfahrungen und Grundlage biographischer Navigationsprozesse als auch die gesellschaftlichen Rahmungen, in denen diese stattfinden, zur Diskussion stehen.

Thematische Ausrichtungsmöglichkeiten der Arbeitskreise

1. Durch die starke Zuwanderung im Kontext der weltweiten Fluchtbewegungen hat der Sport in Deutschland einen weiteren Impuls in der Forschung, aber auch in zahlreichen Praxisprojekten und –initiativen erhalten. Ein Schwerpunkt der Tagung wird sich daher mit diesen Perspektiven befassen.

2. Im Sport finden Habitualisierungsprozesse statt, die wiederum biographische Anschlüsse ermöglichen. Diese können Zugehörigkeit ermöglichen und stabilisierend wirken. Dies geschieht in Phasen der Neuorientierung und der Umbrüche, wie beispielsweise beim Wechsel vom Kindergarten in die Grundschule, beim Wechsel an die weiterführende Schule, aber auch im Übergang Studium/ Beruf.

Für Sportstudierende, und insbesondere diejenigen, die in den Lehrberuf gehen, haben diese habituellen Anschlussmöglichkeiten ebenfalls Wirksamkeit und Relevanz, die bis in die Ausübung des Berufes hineinspielen können. So bilden die Vorerfahrungen aus dem eigenen Sport eine schwer zu irritierende Grundlage für das spätere berufliche Handeln und orientieren die (berufs)biographische Navigation.

3. Institutionelle und organisationale Perspektiven auf Schulen und Sportvereine verschiedenster Ausrichtung bieten ebenfalls Möglichkeiten zur diskursiven Betrachtung bzgl.  ihres Potenzials, Zugehörigkeit und Teilhabe zu fördern, aber auch exklusive Strukturen zu bilden. Schulsport, Leistungssport, aber auch Sport und Inklusion können Themenfelder sein, die thematisch werden.

4. Quer zu diesen Strängen liegen differenzkategoriale Betrachtungen zum Thema Geschlecht und Behinderung, die auf der Tagung ebenfalls aufgegriffen werden.